Öl-Connection
und rannte voraus. Er verspürte keinen Triumph, keinen Jubel, diesen Mann besiegt zu haben. Und er ging auch neben ihm her, als sie den Aufbau verließen und an den verwundert zuschauenden Piraten zur Reling schritten. Hammerschmidt hatte den toten Kang an seine nackte Brust gepreßt, er schwankte etwas beim Gehen, korrigierte auf halbem Wege die Gewichtsverteilung und sah aus den Augenwinkeln, wie sich Botzke und Halbe von dem Container abstießen.
Bleibt stehen, Jungs, dachte er. Um Himmels willen, bleibt doch stehen. Begreift die Situation! Mir zu helfen ist euer Tod! Das will er doch nur: einen Grund haben, wieder die Hand zum Feuerbefehl zu heben. Bleibt stehen!
Er keuchte etwas, ein Toter ist immer schwerer als ein Lebender, man hat das Gefühl, einen Körper aus Blei zu tragen, dabei ist alles nur eine Täuschung, und als er sah, daß Botzke zu ihm laufen wollte, brüllte er aus voller Brust:
»Bleib stehen! Zurück! Ich schaffe das allein!«
Botzke bremste und starrte seinen Kapitän an. Dann begann er am ganzen Körper zu zittern und ballte die Fäuste. Er weinte laut, ohne sich dessen bewußt zu sein, er weinte und biß sich in die Fäuste. Halbe zog ihn zurück zur Wand, drückte Botzkes Gesicht an seine Brust und streichelte ihn wie ein verletztes Kind.
Hammerschmidt hatte die Reling erreicht. Er blickte ins Wasser, an dessen Oberfläche einige Blutlachen schwammen. Überbleibsel der Toten, die von den Haien zerrissen worden waren. Er sah ihre dreieckigen Rückenflossen etwas entfernter durch das Meer ziehen. Die spielenden Delphine waren geflüchtet.
Mit einem Schwung warf Hammerschmidt den toten Kang Yunhe ins Meer. Der Körper tauchte sofort unter. Hammerschmidt drehte sich zu Nyen um.
»Zufrieden?« fragte er. »Kann ich zu meinen Offizieren? Was haben Sie mit uns vor?«
»Wir werden gleich weiterfahren.« Nyen sah Hammerschmidt ein paar Momente stumm an. »Wir werden zu meinem Stützpunkt fahren. Ich hoffe, daß Sie die Else Vorster sicher durch die Klippen bringen.«
»Ich?«
»Ja. Sie. Ich fahre Ihnen voraus und zeige Ihnen den Einschlupf.«
»Und wo ist Ihr Räubernest?«
»Die Insel heißt Jemaja. Sie gehört zur Inselgruppe Anambas. Es ist ein gutes Versteck, Kapitän. Sie werden sich dort wohl fühlen.«
Die Fahrt nach Jemaja verlief ohne Komplikationen. Nyens Motoryacht lief der Else Vorster voraus, neben Hammerschmidt stand ein finsterer Pirat und achtete darauf, daß er genau auf Kiellinie blieb, und im Funkraum saß Hakahiro, ebenfalls bewacht von einem Piraten, und gab seine Meldungen durch, als liefe alles völlig normal. Der Funker wunderte sich über nichts mehr … erst die Chinesen, jetzt die vietnamesischen Piraten, wer weiß, was morgen ist. Seine Angst hatte er verloren. Solange der Kapitän auf der Kommandobrücke stand, mußte alles, so rätselhaft es auch war, doch seine Ordnung haben. Damit tröstete sich Hakahiro und tat alles, was man von ihm verlangte.
Die Offiziere Halbe und Botzke hatte Nyen an Bord seines Schnellbootes genommen. Sie waren dort in eine Kabine eingeschlossen worden, die mit einem Luxus eingerichtet war, um den ihn jedes Kreuzfahrtschiff beneidet hätte: ein großes Rundbett, mit gelber Seide bezogen, Spiegelschränke, ein Badezimmer mit vergoldeten Armaturen, eine kleine Sesselgruppe, ein Farbfernseher, sogar eine kleine Bar – nur war diese leer bis auf zwei Flaschen Orangensaft und eine Dose Tonic-Water.
»Verstehst du das?« fragte Botzke und setzte sich auf das Bett. »Smits ermorden sie, und uns lassen sie leben und sperren uns in eine Luxuskabine ein?«
»Wenn du weitergelaufen wärst, schwämmst du jetzt auch im Pazifik«, sagte Halbe und betrachtete sich in dem großen Spiegel.
»Sie haben den Alten gefoltert …« sagte Botzke dumpf.
»Das nimmst du an.«
»Sein Hemd war völlig zerrissen! Wer Hammerschmidt kennt, weiß, daß er so etwas nur geschehen ließ, nachdem man ihn gefoltert hatte. Und dann mußte er auch noch den toten Kang den Haien vorwerfen … Ich konnte es nicht mitansehen!«
»Wenn ich dich nicht festgehalten hätte!«
»Ich weiß. Du hast mir das Leben gerettet.« Botzke ließ sich nach hinten auf das Bett sinken und verschränkte die Arme im Nacken. »Ob … ob sie den Alten hinterher auch getötet haben?«
»Das wird man uns bald sagen.« Halbe trat vom Spiegel zurück. Er hatte sein Gesicht betrachtet und war erschrocken. Ich habe Angst, sagte er sich, und du, Botzke, hast auch Angst. Wir beide spielen
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