Öl-Connection
haben, du sollst neben mir schlafen und mich in die Träume singen. Komm, mein Vögelchen. Komm.‹ Und eines Tages lag er da in seinem gelbseidenen Bett mit den roten Drachen darauf, und er wußte, daß er sterben mußte. Und als er die letzten Atemzüge machte, kam die goldene Nachtigall in sein Zimmer geflogen, setzte sich auf seinen Kopf und sang so schön wie nie zuvor, so wunderschön, daß der Kaiser sich zusammenkrampfte und leben wollte, aber er starb in dieser Stunde und begriff, daß auch ein mächtiger Kaiser nicht alles haben kann, was er sich wünscht.« Nyen sah Kang aus kalten Augen an. »Kennst du das Märchen?«
»Nein.« Kang blickte in den Lauf der Nagan und fiel auf die Knie. Angstschweiß schoß ihm aus allen Poren, und plötzlich erfüllte ein widerlicher Gestank die Kommandobrücke. Nyen warf einen Blick auf Hammerschmidt.
»Er hat vor Angst in die Hosen geschissen!« sagte er mit schrecklicher Ruhe. »Er ist wirklich eine widerliche Ratte. Kann man so etwas Abscheuliches als Partner nehmen?«
Sein Zeigefinger krümmte sich. Der Schuß schlug überlaut durch den Raum, mitten auf Kangs Stirn erschien ein kreisrunder roter Fleck. Der Taiwaner fiel zurück und zuckte noch dreimal, aber es waren nur noch Reflexe seiner Nerven.
Hammerschmidt ging zwei Schritte bis zum Kommandopult und riß sich die letzten Hemdfetzen von der Brust.
»Wo Sie nun einmal so richtig in Schwung sind, …« Seine Stimme war fest wie immer. »Nur – ich knie nicht nieder.«
Nyen Su-Feng ließ die Pistole sinken, sicherte sie wieder und steckte die Waffe in den breiten Gürtel. »Der deutsche Held! Der blauäugige Germane! Merken Sie nicht, wie lächerlich Sie sind?«
»Schießen Sie endlich, Nyen!«
»Warum? Ich habe keinen Grund, Sie zu töten, Kapitän.«
»Sie haben auch ohne Grund meinen Chief erschießen lassen.«
»Er hatte mich beleidigt. Das kann ich nicht ertragen. Aber Sie?« Nyen zeigte auf den toten, verkrümmten Kang Yunhe. Aus seinem Kopf lief ein dünner Blutfaden. »Aufheben!«
Hammerschmidt rührte sich nicht. Nyen trat einen Schritt vor. Noch einmal zeigte er auf Kang. »Aufheben!«
Hammerschmidt reagierte nicht. Der japanische Rudergänger, der bisher wie eine Steinsäule gestanden hatte, bewegte sich und wollte den Befehl übernehmen. Ein Faustschlag von Nyen warf ihn gegen die Brückenwand zurück.
»Der deutsche Held ist zu stolz, nicht wahr?« sagte Nyen spöttisch. »Ich habe irgendwo einmal gelesen, daß es bei Ihnen so eine Art Todesengel gab, die die Toten in den Himmel trugen. Ihr Himmel hatte einen merkwürdigen Namen.«
»Walhall.«
»Stimmt.« Er zeigte wieder auf den Toten. »Tragen Sie ihn weg und werfen Sie ihn über Bord. Denken Sie an Ihre germanische Tradition.«
»Sie können mich nicht provozieren, Nyen«, antwortete Hammerschmidt furchtlos. »Erschießen Sie mich.«
»Die Welt hat Märtyrer genug, man braucht Sie nicht. Aber«, Nyen streckte den Arm aus und zeigte nach draußen. »Auf Deck warten meine Leute auf einen neuen Befehl. Ich kann ihn ihnen geben: Tötet die beiden Offiziere!«
»Das werden Sie nicht tun!« In Hammerschmidt machte sich eine große Leere breit. Es war ihm, als habe er seinen Körper verlassen.
»Wer hindert mich daran?«
»Niemand. Aber wenn Sie es befehlen, dann müssen Sie mich auch liquidieren.«
»Ich muß? Erklären Sie mir das!«
»Ich werde Sie provozieren. Ich werde auf Sie springen, ich werde Sie schlagen, es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, als mich zu töten.«
Nyen nickte mehrmals. »Das traue ich Ihnen zu, Hammerschmidt. Aber überlegen Sie mal: Ist es nicht einfacher, Sie tragen Kang hinunter und retten damit Ihre Offiziere? Wollen Sie durch Befehlsverweigerung zum Mitschuldigen werden? Zum Mörder? Glauben Sie, Ihre Offiziere würden Ihr Heldentum, Ihr dämliches Heldentum, verstehen, wenn sie vor den Maschinenpistolen stehen und ich ihnen sage: Bedanken Sie sich bei Ihrem Kapitän.«
Hammerschmidt senkte den Kopf. Sein Ich kehrte in seinen Körper zurück. Er ging auf den toten Kang Yunhe zu. Bei der Leiche angekommen, bückte er sich, schob beide Arme unter den schmächtigen Körper und stemmte ihn hoch. Dann drückte er Kang fester an sich, schätzte das Gewicht ab und ging mit schweren Schritten zum Ausgang der Brücke.
Nyen atmete tief durch. Er lief an Hammerschmidt vorbei, und ihre Blicke begegneten sich. Tiefste Verachtung war aus den Augen abzulesen.
»Ich halte Ihnen die Türen auf«, sagte Nyen
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