Öl-Connection
nur den starken Mann. Am liebsten würden wir Nyen Su-Feng um Gnade bitten. Todesangst lähmt das klare Denken – du stehst nackt da, und alles in dir ist zusammengeschrumpft auf einen einzigen Satz: Laß mich leben!
»Ich nehme Ihre beiden Offiziere zu mir«, hatte Nyen zu Hammerschmidt gesagt. »Als Geiseln … nein, besser gesagt: Als Garantie, daß Sie keine Dummheiten machen. Ich kenne Ihren Kameradschaftsgeist genau! Sie wissen, daß ich Ihre Offiziere sofort hinrichte, wenn Sie den geringsten Versuch unternehmen, mich zu betrügen.«
»Sie brauchen das nicht zu betonen, Nyen.« Hammerschmidt hatte noch die schrecklichen Bilder vor Augen, wie man Smits erschoß und Kang liquidierte. Für Nyen war ein Menschenleben nichts wert … »Wie sollte ich Sie betrügen? Sie fahren voraus, und wenn ich den Kurs ändern sollte, werden Sie ihn mit Ihrem Geschütz am Heck korrigieren. Außerdem haben Sie noch eine Vierlings-Flak an Bord und einen Raketenwerfer.«
»Das haben Sie bemerkt?«
»Ich bin nicht blind. Und auch nicht – falls Sie das annehmen sollten – auch nicht dämlich! Ich frage mich nur: Woher haben sie die Waffen?«
»Sie stammen aus dem Vietnam-Krieg. Als wir ihn gewonnen haben und die Amerikaner abzogen, achtete niemand auf die Waffen. Sie wurden massenhaft gestohlen und tauchten wenig später auf dem Schwarzmarkt auf. Man konnte kaufen, was man wollte. Alles war zu haben. Von einem Großhändler in Ho Chi Minh, Ihnen besser bekannt als Saigon, wurde mir geliefert, was ich brauchte. Er hatte einen dicken Katalog – vom Nahkampfschwert bis zum Panzer, von der Tretmine bis zum 10,5 cm-Geschütz. Leider hatte der Kamerad eine dumme Angewohnheit: Er führte Buch und trug dort seine Kunden ein. Geradezu ein Verbrechen in diesem Metier. Ich erfuhr es erst später … und der dumme Mensch explodierte eines abends mit seinem Auto. Es gibt gewisse Regeln im Leben, deren Nichtbeachtung Konsequenzen haben muß, um andere Menschen nicht zu gefährden.«
»Ich bin Ihnen also auch nichts wert, Nyen?«
»Nein!« Nyen blickte an Hammerschmidt vorbei. »Aber noch brauche ich Sie …«
»Und wenn ich nicht mehr nützlich bin?«
»Darüber sprechen wir später.«
Hammerschmidt atmete tief durch. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, so nüchtern sein Todesurteil zu hören. »Was ich auch tue, das Ende ist vorprogrammiert –«
»Spielen Sie nicht mit irgendwelchen dummen Gedanken, Kapitän!« Nyen hob warnend die Hand. »Ihnen mag Ihr Leben unwichtig sein! Nein! Unwichtig ist es nicht … Sie werden nach Ihrer Auffassung als Held sterben. Das gibt Ihnen innere Stärke. Aber zuerst sind Ihre Offiziere dran. Das wissen Sie jetzt.« Nyen lächelte breit. Es war ein grausames Lächeln der Macht. »Ich weiß auch, daß gerade Sie sich von Ihrem Ehrenkodex gebunden fühlen. Gotentreue nennt man ihn, wenn ich mich recht erinnere. Sie sehen, ich habe als Student viel gelesen und mich oft über die Deutschen gewundert. Wir als Vietkong kannten damals nur unseren Haß auf die Weißen, der uns alles ertragen ließ … ihr Deutschen aber marschiert singend in den Krieg, weil ihr auf irgendeine Fahne Treue geschworen habt. Ich habe das nie begriffen, bis heute nicht. Und jetzt sehe ich das wieder: Man kann euch Deutsche in die Knie zwingen, wenn man euch die Ehre nimmt!«
»Nyen, Sie wissen nicht, was Ehre und Treue bedeuten.«
»Das verhindert so manche Blödheit.«
»Sie werden mich also, wann es Ihnen paßt, umbringen …«
»Habe ich das gesagt? Ich habe Ihnen lediglich zu verstehen gegeben, daß ich etwas gegen Hinterhältigkeiten habe.« Nyen Su-Feng lehnte sich gegen das Kommandopult und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß, was Sie jetzt denken, Kapitän. Oh, ich weiß es ganz genau! Dieser Kerl spricht von Hinterhältigkeit und hat hinterhältig Smits, Kang Yunhe und die ganze Crew erschossen. Ist es so?«
»Ja.«
»Smits hat mich vor meinen Männern beleidigt, das tut man nicht. Kang war ein schleimiger Wurm … ich hasse Würmer. Die Crew – Ihre Crew – war ein Haufen Meuterer … ich verabscheue nichts mehr als Verrat. Seit Jahrtausenden werden Verräter hingerichtet.«
»Mord bleibt Mord.«
»Und Humanität bleibt die Dusseligkeit der Weißen. Wir werden uns geistig einander nie nähern, Kapitän. Bleiben wir also bei der uralten Formel: Ich bin der Stärkere, ich bin der Sieger – und Sie der Unterlegene, der Verlierer.«
Wenig später sah Hammerschmidt von der Brücke, wie vier
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