Öl-Connection
Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Verkehrsministeriums verlief reibungslos. Er stand in laufendem Kontakt mit der Sonderstelle des Bundes ›Ölunfälle See/Küste‹, dem Zentralen Meldekopf des Wasser- und Schiffahrtsamtes Cuxhaven und dem Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie in Hamburg. Hintze, bisher vom Vortrag von Dr. Bergfried entmutigt, hatte seine Sicherheit wiedergewonnen. Auf seinem Tisch stapelten sich die Meldungen.
»Es sieht hoffnungsvoll aus«, resümierte er mit knappen Worten. »Die Unico II ist geortet. Der Tanker verliert kein Öl. Er treibt auf die Deutsche Bucht zu. Eine Verständigung ist nicht möglich. Teile der Besatzung wurden aufgefischt. Rettungsinseln. Von Kapitän und Offizieren noch keine Spur. Wir gehen davon aus, daß die Nordsee sie in die Tiefe gerissen hat, wenn sie mit einem normalen Rettungsboot unterwegs waren. Führerloser Großtanker also! Wir wollen versuchen, ihn in ruhigeres Elbewasser zu schleppen und dort leerzupumpen.«
»Und wenn er doch im letzten Moment auseinanderbricht, etwa an der Elbe?« fragte Dr. Bergfried.
»Von Ihrer Schwarzmalerei habe ich jetzt die Nase voll!« blockte Hintze ab. »Daran will ich nicht denken!«
»Das ist eben der Fehler, der rund um die Welt immer wieder gemacht wird.«
Hintze bekam einen roten Kopf. »Was Sie da ansprechen, ist ein internationales Problem! Im Augenblick haben wir es mit einem rein deutschen Problem zu tun, und das bekommen wir in den Griff! Die Unico II ist unversehrt … und wenn erst die Bergungsschiffe bei ihr sind und sie an die Leine nehmen, sind neunzig Prozent der Gefahr gebannt. Davon gehe ich jetzt aus. Ich bin sehr zuversichtlich und habe das auch dem Herrn Minister und dem Bundeskanzler übermittelt. Es hängt jetzt alles von der Geschicklichkeit der Rettungsschiffe ab.«
»Und wenn bei diesem Seegang die Trossen reißen?«
»Dann werden neue angebracht!« rief Hintze. Er war empört. »Wozu haben wir denn unsere Fachleute?!«
»Haben Sie schon mal Windstärke acht auf hoher See erlebt, Herr Ministerialrat?«
»Nein! Ich habe eine persönliche Abneigung gegen Schiffe, ich fliege lieber.«
»Das genügt«, sagte Dr. Bergfried zufrieden.
Hintze verzichtete auf eine Erwiderung. Dr. Bergfried war für ihn ein kaum mehr glaubwürdiger Spinner, ähnlich den Eiferern von Greenpeace. Für diese Organisation hatte Hintze keinerlei Verständnis und außerdem eine klar begründete Wut wegen der vielen Arbeit, die bei jeder Aktion dieser Leute auf seine Behörde zukam. Greenpeace bedeutete für ihn immer abwiegelnde Kommentare, Gegenstatistiken, Dementis und ›aufklärende Pressearbeit‹. Und ausgerechnet Dr. Bergfried argumentierte mit viel Greenpeace-Material.
Von allen Seiten liefen neue Meldungen ein. Das Flottenkommando der Marine ließ inzwischen zwei Luftüberwachungsflugzeuge über der Unico II kreisen. Ihr hochempfindliches Laserfluorosensor-System hatte nur geringe Ölflecken von 0,1 Millimeter Dicke auf der Wasseroberfläche geortet. Es handelte sich um auslaufenden Treibstoff, vermischt mit Meerwasser.
»Das beweist, daß die Maschine des Tankers beschädigt ist«, kommandierte der Einsatzleiter. »Trotzdem frage ich mich: Warum hat die Besatzung das Schiff vorzeitig verlassen? Warum nimmt der Kapitän eine Ölkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes in Kauf?«
»Das wird die Staatsanwaltschaft feststellen.« Hintze klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Papierberg vor sich. »Wir werden hier mit der ganzen Härte des Gesetzes vorgehen!«
Und wieder war es Dr. Bergfried, der sagte: »Unsere Gesetze reichen nicht aus. Wer will bei einer Katastrophe eine Schuld nachweisen? Alles ist immer ›höhere Gewalt‹. Herr Hintze, jeder Vorstoß, jemanden verantwortlich zu machen, endet im Leeren.«
»Das wollen wir sehen!« Hintze blickte Dr. Bergfried feindselig an. »Wir werden den Reeder vor Gericht laden.«
»Und Sie glauben, er kommt?« Dr. Bergfried lächelte schwach. »Außerdem: Es ist ja nichts passiert. Die Unico II schwimmt noch! Sie wird abgeschleppt werden. Das wird das einzige sein, was den Reeder aufregt. Ein Untergang hätte ihm Millionen Dollar eingebracht. Durch die Rettung seines Schiffes entsteht ihm ein Verlust … so muß man das sehen!«
»Das ist ja schlimmer als bei der Mafia!« rief Hintze empört.
»Die Mafia ist gegen die Öl-Connection ein biederer Familienverein. Sie jagt Menschen, aber gefährdet nicht das Überleben unserer Erde. Die Havarie eines
Weitere Kostenlose Bücher