Öl-Connection
Seeschiffahrtsstraße für Großschiffe direkten Kurs auf Rotterdam zu nehmen. Auch nach Aufkommen des Orkans sollte er auf der vorgeschriebenen Route bleiben. Er hat eigenmächtig mehrmals den Kurs gewechselt und auf Funkanweisungen unsererseits nicht reagiert oder sich geweigert, unsere Empfehlungen auszuführen. Er hat damit die Unico II und die Nordseeküsten in größte Gefahr gebracht. Über den Ausfall von Funk, Radar und Maschine kann nichts gesagt werden, bis eine Sonderkommission das Schiff untersucht hat. Der Totalausfall ist aber nach unserer Ansicht eine Folge des Versagens von Kapitän Svensson in der extremen Wettersituation.
Die Reederei TAS lehnt daher jeden eventuellen Schadensanspruch ab.
gez. Pierre Jeanmaire.
Ministerialrat Hintze, dem sofort das Fax übermittelt wurde, las es laut in der Einsatzzentrale vor. Zu seinem Leidwesen war auch Dr. Bergfried wieder im Raum; er hatte keine Möglichkeit gesehen, ihn auszuschließen. Während Hintze den Text vorlas, schauten sich der Einsatzleiter und Dr. Bergfried fast schadenfroh an.
Hintze ließ das Blatt Papier sinken und warf es zu den anderen Meldungen auf den Tisch.
»Was sagen Sie nun?« fragte er, als sei das Fax ein Triumph für ihn. »So schnell klären sich die Dinge.«
»Wir haben nichts anderes erwartet«, sagte Dr. Bergfried.
Hintze musterte Dr. Bergfried wie einen Duellgegner vor dem ersten Schuß. »Was mißfällt Ihnen denn daran schon wieder?« fragte er mit scharfer Stimme.
»Die Erklärung des Reeders Jeanmaire ist typisch: Schuld hat der Orkan, und den kann man nicht belangen. Schuld hat der Kapitän – der ist ein armer Hund, dem man nicht in die Tasche greifen kann. Schuld ist menschliches Versagen – man kann jemanden, der einer Ausnahmesituation nicht gewachsen ist, nicht anklagen. Ein Mensch wird von Nerven geleitet, die versagen können. Auch das ist letztlich naturbedingt. Wer also ist anzuklagen? Keiner!«
»So eine Komödie laß ich nicht mit mir spielen!« rief Hintze empört. »Dieser Jeanmaire wird für alle Kosten geradestehen! Darauf können Sie Gift nehmen.«
»Bedaure, Herr Hintze, aber ich möchte weiterleben.« Dr. Bergfried hatte eine besondere Art, Männer wie Hintze zur Weißglut zu treiben. »Pierre Jeanmaire sitzt in Panama, und kein panamesisches Gericht wird gegen ihn Anklage erheben.«
»Er wird – das sagte ich schon – nach deutschem Recht angeklagt.«
»Sie werden Jeanmaire kaum dazu bewegen können, sich in Hamburg vor Gericht zu verantworten.«
»Das wird ihn sehr amüsieren.«
Pusenke, Dozek, Andersen und Josuah King, die sich zu den Lotsen hangelten, um ihnen zu helfen, winkten ab, als ihnen vom ersten Hubschrauber signalisiert wurde, daß man sie mit Seilwinden vom Tankerdeck hieven wollte. Als das erste Seil mit einer Rettungshose heruntergelassen wurde und über das Deck schleifte, trat Pusenke dagegen, als sei sie ein Fußball. Erst das Schiff, hieß das. Dann wir! Ihr werft Lotsen ab zur Bergung, und wir sollen kneifen? Für was haltet ihr uns? Wir haben unbeschreibliche Tage hinter uns, und jetzt sollen wir kneifen?!
Die erste Trosse war befestigt. Der Schlepper zog an. Mit einem peitschenden Knall zerriß das Stahlseil und wurde von der tobenden See weggepeitscht. Im Hubschrauber saß ein Kamerateam und filmte die Rettungsaktion. Millionen Zuschauer an den Fernsehgeräten hielten den Atem an.
»Sie zerreißen wie Papierschlangen!« brüllte Pusenke gegen den Wind an. »Wenn so ein Stahlseil mit voller Wucht gegen die Außenhaut schlägt, kann es ein Loch reißen! Dann Mahlzeit! Festhalten!«
Eine neue Riesenwelle überspülte das Deck. Als sie vorüber war, sahen sie, daß es gelungen war, die zweite Trosse zu befestigen. Die Lotsen hingen an den Sicherungsgestängen und schnappten nach Luft.
Dozek, Andersen und Pusenke hangelten sich zu ihnen hin. Über ihnen pendelte eine weitere Seilschlaufe, die die nächste Trosse hinüberbringen sollte. Mit verzweifelter Kraft packten sie zu und keuchten zur Trossenwinde. Andersen sah sich um und klammerte sich an dem Gestänge fest.
»Wo ist der Nigger?!« schrie er. »Dieses feige Schwein! Jetzt kneift er, wo es um alles geht! Herr Pusenke – ich werde diesen Saukerl krankenhausreif schlagen!«
Die zweite und dritte Trosse hielten. Die Unico war nun im Schlepp, es galt jetzt nur noch, gegen die Wellen anzukämpfen. Nur noch … eine aufgewühlte Nordsee ist so schnell nicht zu beruhigen.
In der Kapitänslogis saß Josuah King
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