Öl-Connection
neben dem Bett und hielt Svenssons Hand. Das Gesicht des Kapitäns verfiel immer mehr; es schrumpfte zusammen und wurde kleiner und spitzer. Wie vergilbtes Leder faltete sich die Haut über die Knochen.
Svensson verharrte in einer Art Halbschlaf. Er nahm wahr, daß King neben ihm saß, aber war nicht mehr imstande, mit ihm zu sprechen. Er wollte etwas sagen, aber es klang nur wie das Seufzen eines Träumenden. Schmerzen spürte er noch nicht wieder, nur einen unangenehmen Druck im Magen, als habe er zuviel gegessen. Sein Gehör dagegen war hellwach. Er hörte, wie die Hubschrauber über seinem Schiff knatterten, er hörte den schrillen Schrei der zerreißenden Stahltrosse und dachte: Das schafft ihr nie! Nie! Jungs, wartet doch ab. Wir haben den Orkan überstanden, wir überstehen auch noch die paar Stunden, bis die See ruhiger ist.
Langsam ließ die Wirkung der Tabletten nach, der Schmerz beherrschte wieder seinen Körper, wenn auch verhaltener als vorher. Er schlug die Augen auf und blickte Josuah an.
»Medizinmann«, sagte er mühsam.
»Kapitän.«
»Ich habe geschlafen.«
»Ja, Kapitän.« Josuah beugte sich über ihn und legte seine Hand auf Svenssons Stirn. Der Kopf war kühl, von klebrigem Schweiß überzogen.
»Ich habe kein Fieber, Josuah«, sagte Svensson etwas klarer. »Im Gegenteil, ich friere.«
»Wir werden gerettet.« Josuah zog die Wolldecke höher über Svensson.
»Ich höre es. Hubschrauber. Sie werfen Trossen ab. Kommen die Schlepper ans Schiff?«
»Es sind drei, Sir. Und eine Menge anderer Boote. Es kann nichts mehr passieren. Sie werden bald in ein Hospital gebracht werden.« King beugte sich über ihn. »Wenn man Sie von Bord holt, Kapitän, muß ich Sie betäuben.«
»Muß das sein, Medizinmann?«
»Die Schmerzen werden sonst unerträglich sein.«
»Ich kann einiges aushalten.«
»Das wissen wir. Aber es wird zuviel werden. Ich gebe Ihnen Morphium.«
»Haben wir so ein Zeug an Bord?«
»Ich habe eine Schachtel mit Ampullen gefunden. Und auch Spritzen. Gott sei Dank.«
»Du glaubst an Gott?«
»Nein, Sir.«
»An wen glaubst du denn?«
»An die Kraft der Toten. An ihre Geister. Man ruft sie um Hilfe, und sie helfen.« King tupfte mit einem Handtuch den Schweiß von Svenssons Stirn und Schultern. »Wir nennen es Voodoo.«
Svensson riß die Augen auf. »Du bist ein Voodoo-Anhänger?«
»Die Geister haben mir immer geholfen, Kapitän.« Josuah warf das Handtuch zur Seite. »Ich habe sie gerufen: Rettet meinen Kapitän … wir werden gerettet. Ich habe gerufen: Laßt mich das Richtige tun … ich habe es getan. Ich habe gerufen: Vernichtet Hogar Andersen … sie werden ihn vernichten. Ich habe eine Puppe genommen und mein Messer in ihre Brust gestoßen. Andersen ist bereits tot, auch wenn er noch lebt.«
Svensson starrte King an. »Woher hast du eine Puppe?« fragte er stockend.
»Ich habe sie hergestellt aus einem Tauende, Kleiderfetzen, Werg und Holzspänen. Dann habe ich sie in Andersens Bett gelegt, während er auf der Brücke war. Sie hat seine Seele angenommen. Und ich habe die Seele erstochen. Andersen ist tot. Die Geister werden mir helfen.«
»Du wirst es nicht tun, Josuah!« sagte Svensson und legte das bißchen verbliebene Kraft in seine Stimme. »Hörst du, du wirst es nicht tun. Ich befehle es dir. Quatsch, ich bitte dich darum. Hörst du?«
»Es ist zu spät, Sir.« Josuah schüttelte den Kopf. »Die Geister sind schon bei ihm. Man kann eine Bitte nicht zurücknehmen. Man beleidigt sie dann, und sie werden mir nie wieder helfen.«
Gegen die Bordwand donnerten ein paar Schläge, dann hörten sie ein lautes Reiben. Svensson streckte sich aus. Der Schmerz lähmte seinen Willen.
»Sie haben angelegt«, sagte er. Seine Stimme hatte keinen Klang mehr. »Ein Schlepper liegt längsseits. Sie haben es geschafft.«
Svensson schloß die Augen, biß die Zähne aufeinander, und seine Hände verkrampften sich zur Faust. Josuah erhob sich, ging zu dem kleinen Beistelltisch, riß eine schmale Packung und die Hülle einer Einwegspritze auf. Er nahm aus der Packung eine Ampulle Morphium, schüttelte sie und zog sie dann vorsichtig auf die Spritze auf.
»Sie werden den Einstich kaum spüren, Sir«, sagte Josuah, als müsse er ein Kind trösten. »Es geht ganz schnell.«
»Morphium?« fragte Svensson mit geschlossenen Augen.
»Ja, Kapitän.«
»Willst du mich umbringen, Medizinmann?«
»Ich habe die Geister gebeten, dich zu retten. Sie erfüllen mir den Wunsch.«
»Bist
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