Öl-Connection
war bis auf Stärke sechs zurückgegangen, die Nordseeküsten und Inseln damit einmal wieder gerettet. Zwar hatte der Orkan eine Menge Land weggespült, an manchen Stellen sah es aus, als habe ein Riesentier an den Stränden gefressen, aber die Deiche hatten gehalten, und die Überschwemmungen im Marschland gingen zurück. Die Kosten zur Beseitigung der Schäden würden sich allerdings in Millionenhöhe bewegen. Die Ölpest war nicht gekommen, kein Ölteppich bedeckte Hunderte von Kilometern Wattenmeer und Inseln, es lebten die Robben, Fische und Seevögel. Man konnte aufatmen und sich weiter der Illusion hingeben, die Nordsee sei noch einmal gerettet worden und die Natur werde ihr Gleichgewicht wiederfinden.
Ministerialrat Hintze war nach Cuxhaven gefahren, um selbst den Tanker Unico II zu besichtigen. Er lag außerhalb des Hafens auf Reede und wurde von drei Leichterungsschiffen leergepumpt. Gleichzeitig wurden die Ballasttanks gefüllt, um bei dem noch immer hohen Seegang dem Schiff das notwendige Gewicht zu geben, das ein Kentern verhindern konnte.
Die Beamten der Sonderkommission, Experten des Norddeutschen Lloyds, Gutachter der Klassifikationsgesellschaft und zwei Staatsanwälte setzten mit einer Barkasse auf den Tanker über. Bleich, mit etwas weichen Knien und daher besonders empfindlich und gereizt, kletterte Hintze an Bord, wo er von Pusenke empfangen wurde.
Die Leichen von Andersen und King hatte man abtransportiert, die Mordkommission von Cuxhaven hatte die Kapitänslogis versiegelt.
Hintze und die Fachleute besichtigten den Tanker, so gut das im augenblicklichen Zustand möglich war. Die Experten der Klassifikationsgesellschaft kratzten mal hier, mal dort an den Bunkerwänden, untersuchten flüchtig die Maschine und die verrotteten Brennstoffleitungen, die fehlerhaften Rückschlagventile und die Entlüftungssysteme. Nach zwei Stunden lag ein erster Bericht vor, den Hintze und die Staatsanwälte mit sichtbarer Freude lasen:
Es wurden eine Reihe von gravierenden Mängeln festgestellt: Schäden an den Rohrleitungen, Lecks an einigen Treibstoffbunkern, Verschleiß der 30.000 PS starken Schiffsdieselmaschine, die längst ausgetauscht werden müßte, Lecks an den Dampfdruckrohren, die das Übernehmen von Ölladungen behinderten, Einbruch von Meerwasser durch die Entlüftungsrohre in die Treibstofftanks infolge fehlerhafter Rückschlagventile, massive Durchrostung der Bunkerwände, Treibstoff minderwertigster Qualität, völlig vernachlässigte Pflege der Maschine und Maschinenteile, Generatoren und Antriebswellen. Bei dieser Massierung der Mängel ist es fast ein Wunder, daß die Ingenieure die Maschine überhaupt in Gang halten konnten.
»Das genügt!« sagte Hintze zufrieden. Auch die beiden Staatsanwälte nickten zustimmend. »Hören wir uns den Chefingenieur Juri Dozek an.«
Dozek hatte zu der Mängelliste wenig zu sagen. Er berief sich, wie erwartet, auf das Gutachten und die Freigabe der Unico II durch die Klassifikationsgesellschaft.
»Das Schiff ist für voll funktionstüchtig erklärt worden«, sagte er und täuschte dabei ein ungläubiges Erstaunen vor, daß man ihn so anklagend fragte. »Ich habe mich an diese Gutachten zu halten und kein Recht, sie anzuzweifeln. Erst während der Fahrt traten verschiedene Schäden an den Tag, aber da war es schon zu spät. Außerdem hat der Orkan – wie festgestellt – Wasser in die Brennstoffbunker gedrückt, was jedem Schiff passieren kann.«
»Haben Sie die Schäden sofort dem Kapitän gemeldet?« fragte einer der Staatsanwälte.
»Natürlich.«
»Und warum ist er nicht in den nächsten Hafen eingelaufen, um die Schäden beheben zu lassen?«
»Er hatte von der Reederei die Weisung erhalten, unter allen Umständen den Kurs zu halten und sogar zwei Tage früher, als im Frachtvertrag vereinbart, in Rotterdam einzulaufen. In dem Orkan hat Kapitän Svensson dann eigenmächtig, gegen die Weisung aus Panama, den Kurs geändert, um das Schiff zu retten. Das ist ihm ja auch gelungen.«
»Mit dem Risiko, die deutsche Nordseeküste zu verseuchen!« rief Hintze.
»Ein Risiko gibt es bei jedem Öltransport.«
»Das genügt!« wiederholte Hintze. »Grobe Mängel, Fahrlässigkeit, schrottreife Maschine, Alter des Schiffes über 18 Jahre, durchgerostete Wände … Herr Staatsanwalt …«
»Ich erkläre hiermit die Unico II für beschlagnahmt!« sagte der Staatsanwalt sofort. »Sie wird nach Hamburg geschleppt und einer internationalen Kommission präsentiert.
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