Öl-Connection
Großtiere im Meer, die nun die Gifte in sich aufnähmen. Das zu Teerklumpen zusammengebackene Öl aber baue sich erst nach Jahren organisch ab. Das hieße, daß auch bei Verschwinden des Ölteppichs das Meer und die Küsten über Jahre verseucht blieben.
Aus Teneriffa setzte eine Massenflucht der Urlauber ein. Einer der wichtigsten Exportartikel der Inseln – die wunderbar schmackhaften, kleinen Bananen – wurden ab sofort von den Großhändlern und Importeuren nicht mehr abgenommen. Blumen, wie die auf Teneriffa immer blühenden Weihnachtssterne, Rosen oder Strelitzien waren nicht mehr gefragt. Selbst die Kakteenzüchtungen wurden zurückgewiesen, da das Gerücht umging, nicht nur die Lungen würden durch den Öldunst angegriffen, sondern es könne auch zu Darm- und Magengeschwüren kommen. Diese Reaktion war zwar bisher nur bei Enten beobachtet worden, die ihr ölverschmiertes Gefieder rupften und so die Giftstoffe in sich aufnahmen, aber die Skepsis war schwer auszuräumen.
Der Premierminister war wieder zurück nach Madrid geflogen. Der Verkehrsminister tagte mit den Ölexperten weiterhin in Santa Cruz, verstärkt durch den Landwirtschaftsminister, der sich bemühte, die aufgeregten Bauern, Bürgermeister und Hoteldirektoren zu beruhigen.
Nachdem die Maringo gesunken war, ein Feuerball, den das Meer brodelnd verschluckte, starrten alle auf die Wetterberichte aus dem Norden Europas. Hier lag die größte und einzige Hoffnung, Teneriffa doch noch zu retten: Wenn der Sturm sich nicht verbraucht hatte und mit wenig verminderter Kraft bis zu den Kanarischen Inseln hinunterzog, wäre es möglich, daß der gigantische Ölteppich aufs freie Meer abgetrieben wurde. Die Wetterstationen an der Biskaya meldeten Windstärke acht mit südwestlicher Richtung, das genügte, eine Umweltkatastrophe unvorstellbaren Ausmaßes abzuwenden.
Die chemische Bekämpfung von 200.000 Tonnen Öl, eine Menge, die noch nie ausgeflossen war, zeigte die Grenzen menschlichen Könnens auf. Es gab nichts, was eine solche Öllache hätte aufhalten können, der Mensch war so hilflos, als wolle er mit Eimern und Gießkannen ein Meer ausschöpfen.
»Schon jetzt gehen die Schäden in die Milliarden!« sagte der Gouverneur der Kanarischen Inseln in der letzten Sitzung der Minister und Experten. »Wer bezahlt das? Wer kann die Schuldfrage beantworten? Der Kapitän der Maringo wird als Held gefeiert, der Kapitän des griechischen Frachters ist nicht vernehmungsfähig, die Reedereien sind nicht verantwortlich, aber unsere Inseln sind so gut wie kaputt! Ich frage die Herren Minister: Wer gibt uns das Geld zum Wiederaufbau?«
»Noch ist nichts zerstört …«
»Allein die Ausfälle im Tourismus und im Export bedeuten für die Inseln den wirtschaftlichen Ruin. Wer will statt Sonne Öldunst tanken?«
»Der verfliegt sehr schnell.« Der Landwirtschaftsminister winkte ab, als der Bürgermeister von Puerto de Cruz ihm ins Wort fallen wollte. »Wir werden überlegen, ob wir einen Notstandsplan für Teneriffa ausarbeiten müssen. Sofortmaßnahmen.«
»Das heißt: In frühestens zwei Jahren …« sagte der Bürgermeister bitter.
Der Minister fühlte sich persönlich angegriffen. Wütend fuhr er herum. »Es ist doch wohl selbstverständlich, daß wir erst eine Übersicht über die Schäden haben müssen. Außerdem ist jeder Bürger gefordert, nach Kräften mitzuhelfen. Schließlich handelt es sich hier um eine Naturkatastrophe!«
»Darüber kann man geteilter Ansicht sein. Bisher hat es noch kein Öl vom Himmel geregnet.«
»Und es ist auch noch kein Öl auf die Strände geschwappt!«
So sehr sich Gérard Armand bemühte, an Lothar Heßbach heranzukommen, es gelang ihm nicht. Die spanische Polizei bewachte ihn wie einen Kronschatz.
Selbst die alten, immer wirksamen Tricks halfen nichts: Er gab sich als guter Freund aus, wollte im Krankenhaus Blumen abgeben und Heßbach kurz sprechen, – die Polizei lehnte ab. Auch der Versuch, als Arzt im weißen Kittel zu Heßbach vorzudringen, scheiterte schon bei der ersten Kontrolle. Die Ärzte, die in den Hochsicherheitstrakt vorgelassen wurden, trugen am Revers ihres Kittels ein Schildchen, das elektronisch abgetastet wurde. An ein solches Schild aber kam Armand nicht heran. Bei der Polizeikontrolle entschuldigte er sich mit Vergeßlichkeit, er habe den Kittel gewechselt und übersehen … Man glaubte ihm und verhaftete ihn nicht. Wer, außer den Journalisten, hatte denn auch ein Interesse, Heßbach zu
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