Öl-Connection
schienen Heßbachs Worte doch den richtigen Nerv bei Dr. Wessel getroffen zu haben. Die Häufung der Zufälle machte auch ihn nach längerem Überlegen stutzig. Die Mannschaft der Maringo war bis auf James McCracker und Sato Franco gerettet worden, aber niemandem war bisher irgend etwas Ungewöhnliches passiert. Nur die beiden Offiziere Dumarche und van Geldern gaben Rätsel auf, und der Funker Chu Yungan wurde schon am Morgen nach der Rettung vermißt. Bei dem Gedanken, daß vielleicht wirklich ein Killer auf Heßbach lauerte, jagte es Dr. Wessel einen kalten Schauer über den Rücken.
Dr. Wessel versuchte es beim Gouverneur von Teneriffa. Er brachte vor, daß Kapitän Lothar Heßbach wegen seiner Verbrennungen in eine Spezialklinik nach Süddeutschland verlegt werden müsse, wo man andere Möglichkeiten und vor allem mehr Erfahrungen habe als in La Laguna. Vielleicht müßten sogar Hauttransplantationen vorgenommen werden. Das war zwar maßlos übertrieben, aber es klang gut und überzeugend.
»Herr Heßbach ist deutscher Staatsbürger«, betonte Dr. Wessel, »und wir sind verantwortlich für die bestmögliche medizinische Betreuung des Verletzten. Selbstverständlich steht Ihnen der Kapitän jederzeit zu einer Vernehmung zur Verfügung, wenn die Ärzte es zulassen. Aber ich zweifle nicht daran, daß sich sein Gesundheitszustand in einigen Wochen stabilisiert haben wird.«
Der Gouverneur reagierte.
Er befragte die behandelnden Ärzte in La Laguna und bekam zur Antwort, daß man mit dem Vorschlag durchaus einverstanden sei. Eine Spezialklinik könne selbstverständlich mehr tun als das Krankenhaus von La Laguna. Außerdem – aber das sagten die Ärzte nicht – waren sie froh, diesen Patienten loszuwerden. Die Polizeiüberwachung, die Kontrollen, der unentwegte Ansturm der Journalisten störten den ruhigen Rhythmus des Krankenhauses.
Schon am nächsten Tag ließ der Gouverneur Konsul Dr. Wessel in seine Residenz bitten.
»Ich habe Ihre Bitte in Madrid vorgetragen«, sagte er, »und ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß man Ihrer Bitte um Verlegung von Herrn Heßbach nachkommt. Wir werden mit Einwilligung Ihres Außenministeriums nach völliger Wiederherstellung von Heßbach Beamte unserer Sonderkommission hinüberschicken und ihn vernehmen. Ich freue mich, daß die Verständigung zwischen Spanien und der Bundesrepublik so vorzüglich funktioniert. Wann wollen Sie fliegen?«
»Das muß ich noch abklären.« Dr. Wessel war stolz auf seinen Sieg. »Ich möchte Herrn Heßbach nicht mit einem Linienflug transportieren. Ich möchte das Deutsche Rote Kreuz einschalten. Ich werde sofort mit der Einsatzzentrale telefonieren.«
Dr. Wessel fuhr sofort zum Krankenhaus. Heßbach lag im Bett und las deutsche Zeitungen. Fotos der abgeschleppten und beschlagnahmten Unico II beherrschten die Titelseiten.
»Das ist auch so ein Fall!« sagte er, als Dr. Wessel ins Zimmer trat, und tippte auf die Zeitungen. »Ein Schrottkasten mit 100.000 Tonnen Öl unterwegs! Der Funker und der Erste Offizier bringen sich gegenseitig um, der Kapitän, dem der Reeder die Schuld zuschiebt, stirbt an inneren Blutungen. Schadenersatzansprüche? An wen? Keiner hat Schuld! Verdient hat nur der Reeder, denn er hat die Fracht im voraus bezahlt bekommen. Selbst wenn er das Geisterschiff jetzt abwrackt, macht er einen Gewinn. Er verkauft den alten Pott, der Käufer schleppt ihn zum Abwracken ab, in Wirklichkeit aber wird das Schiff auf irgendeiner dubiosen Werft in Panama, Honduras oder Korea notdürftig repariert, bekommt einen schönen Anstrich, eine exotische Klassifikationsgesellschaft stellt ein Gutachten aus, bewertet den 18 Jahre alten Rosthaufen als qualifiziert … und der Kahn läuft unter einem anderen Reeder und einer anderen Billigflagge wieder mit 10.000 Tonnen Öl an Bord über die Meere. Und es gibt keine Gesetz, das so etwas verhindert.« Er sah Dr. Wessel fragend an. »Was haben Sie erreicht, Herr Konsul?«
»Alles!« Stolz schwang in Dr. Wessels Stimme. Er lachte sogar.
»Alles?«
»Ja. Man ist in Madrid sehr kooperativ.«
»Ich fliege nach Deutschland?« Heßbach streckte beide Hände aus. »Dr. Wessel, ich habe oft über die Trägheit mancher Konsuln geflucht, aber Sie sind offensichtlich nicht von dieser Sorte. Vielen Dank. Wann fliegen wir?«
»Sie werden von einem Rettungs-Jet des Roten Kreuzes abgeholt. Sie sind noch schwerbeschädigt! Hüpfen Sie bloß nicht von der Bahre und vollführen einen
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