Öl-Connection
wundern, was ich für dich ausgehandelt habe.« Der alte Seebär Bertram rieb sich die Hände, als wollte er sich selbst loben. »Wenn du wieder auf den Beinen bist, habe ich ein Schiff für dich. Einen herrlichen Massengutfrachter. Wir haben das mit Handschlag besiegelt. Rate mal, für wen du fahren wirst.«
»Keine Ahnung.« Heßbach sah seinen Schwiegervater fassungslos an. »Das hast du für mich getan?«
»Für dich? Nein, für Luise!« Der Alte rieb sich weiter die Hände. »Du wirst für einen der angesehensten Reeder Deutschlands fahren …«
»Hapag-Lloyd!«
»Nein! Dr. Wolffers!« Der alte Bertram hielt einen Moment den Atem an. »Was sagst du nun? Heßbach, wieder ein Kapitän von Wolffers! Nach einem solchen Posten lecken sich die anderen die Finger. Du wirst die Regina Marium fahren, die Königin der Meere. Jetzt habe ich den richtigen Schwiegersohn.«
Es war abzusehen, daß Heßbach nicht lange in der Klinik Schwandtnertal bleiben müßte. Der Chefarzt, vom Außenministerium unterrichtet, verzichtete sogar auf eine gründliche Untersuchung. Von Hauttransplantationen war keine Rede, die wenigen Verletzungen waren bereits fast geheilt – es genügten ein paar Pflaster, um sie gegen Infektionen zu schützen.
»Von mir aus können Sie morgen schon nach Hause«, sagte der Chefarzt. »Die Pflaster kann Ihre Frau wechseln! Ich brauche das Bett dringend für Schwerverletzte.«
»Also, dann fahren wir morgen!« rief der alte Bertram. »Ich vertrage sowieso nicht die Krankenhausluft. Und in unserem Garten erholt er sich besser als im besten weißbezogenen Bett.«
»Außerdem muß ich arbeiten«, sagte Heßbach. »Ich muß auf der Konferenz unangreifbare Fakten vorlegen, sonst glaubt mir keiner. Und ich muß mit den Umweltschutzverbänden Kontakt aufnehmen. Auch die sollen der Weltöffentlichkeit ihre Erfahrungen und Forderungen vorlegen. Wir wollen einen ganzen Katalog von Fragen zur Diskussion stellen und die maßgeblichen Stellen auffordern, dazu Stellung zu nehmen. Es geht um mehr als um 10.000 tote Eiderenten oder 5.000 verendete Seehunde, es geht um die Rettung der Weltmeere. Alle sollen das begreifen. Alle müssen es begreifen …«
Am nächsten Morgen flogen der alte Bertram, Luise und Heßbach von Stuttgart zurück nach Hamburg. Mit der Abendmaschine landete Gérard Armand in Stuttgart, zwölf Stunden zu spät.
Der Bluthund mußte eine neue Spur aufnehmen.
Auf Teneriffa, ja auf allen Kanarischen Inseln atmete man auf. Die Ausläufer des Sturms in der Nordsee hatten den Atlantik erreicht. Mit der Stärke sechs trieb der Wind die Wellen vor sich her, der Himmel wurde grau, Regenschauer prasselten herunter. Und in allen Kirchen der Kanarischen Inseln wurden Dankgottesdienste abgehalten und stieg neue Hoffnung in den Menschen auf.
Der Bischof von Santa Cruz predigte mit bewegter Stimme: »Der Herr hat unser Flehen erhört. Und wer von euch bisher gezweifelt hat, daß es IHN gibt, der kann nun sehen: Es gibt einen gütigen Gott, der uns Menschen liebt …«
Über den Ölteppich, der mittlerweile über sechzig Kilometer breit geworden war, hatte die spanische Luftwaffe 600 Tonnen Chemikalien versprüht und damit große Löcher in die schwarze, klebrige Masse gerissen. Tausende von Tierkadavern wurden aus dem Meer gefischt, riesige Fischschwärme, die das verseuchte Plankton gefressen hatten, würden nach Ansicht der Meeresbiologen an Vergiftungen eingehen oder waren – falls sie gefangen wurden – zum Verzehr ungeeignet. Die Teerklumpen, die auf den Meeresboden sanken, waren noch auf Jahre hinaus eine Gefahr für alle Kleinlebewesen, ohne die es kein biologisches Gleichgewicht und kein Überleben des Meeres gab. Aber der gigantische Ölteppich trieb nun ab, hinaus auf den Atlantik, wo er sich langsam auflösen sollte. Teneriffa war gerettet, eines der schönsten Urlaubsparadiese konnte seine Strände wieder öffnen. Der ätzende Öldunst verschwand mit dem Wind, im Fernsehen wurden zur Beruhigung der Touristen alte Aufnahmen gezeigt: in der Sonne sich wiegende Palmen, weiß leuchtende Sandstrände im Süden, romantische Felsenküste im Norden, der 1.000-jährige Drachenbaum von Icod, das Blumenmeer auf dem Land, die Bananenplantagen, die Mondlandschaft der Cañadas, der hochragende Teide mit seiner ewigen Zipfelmütze aus Schnee und Eis und das zauberhafte Tal von Orotava, von dem Humboldt einmal gesagt hatte, er hätte auf der Welt nichts Schöneres gesehen.
Das alles würde nun weiter
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