Öl-Connection
bestehen. Teneriffa lebte!
Die Katastrophenkommission in Santa Cruz löste sich bis auf ein paar Experten auf. Die Minister flogen nach Madrid zurück, Leichterungsschiffe saugten weiterhin an den Rändern des Ölteppichs die schmierige Masse ab, Flugzeuge verfolgten aus der Luft das Abtreiben des Öls, die ersten Chartermaschinen landeten wieder auf dem Flugplatz Reina Sophia … es war, als habe nie die Vernichtung einer ganzen Inselgruppe gedroht. Drei Tage lang goß es in Strömen, aber der Regen reinigte die Luft, und als die Sonne wieder unter einem stahlenden blauen Himmel glühte, war nur noch die Erinnerung geblieben, daß das ›Glück bei den Gläubigen‹ ist, wie es der Bischof in seiner Dankespredigt sagte.
Beendet allerdings war das Drama nicht für die Ökologen, die spanische Justiz und die Schiffahrtsbehörden. Die Meeresbiologen stellten dunkle Prognosen für die Zukunft der Fischerei, die Justiz suchte nach Schuldigen für das Unglück, und die Schiffahrtsbehörde bemühte sich darum, eine internationale Seesicherheits-Konferenz aller Staaten einzuberufen. Die ersten Reaktionen darauf waren zögernd. Es hatte schon so viele Empfehlungen gegeben, die sehr schnell im nationalen Interessengerangel versandeten.
Auch das öffentliche Entsetzen über die Ölkatastrophe vor Teneriffa ließ merklich nach. Nur noch vereinzelt berichteten die Zeitungen von dem Ölteppich, der hinaus in den Atlantik getrieben wurde. Eine mittlerweile siebzig Kilometer breite Öllache, die bald im Meer verschwinden würde, wie die Reeder-Lobby immer wieder unterstrich, lockte keinen Leser mehr zum Nachdenken.
Einer der wenigen, der mit seinem ganzen Herzen am Unglück der Maringo hing, war Gérard Armand. Ganz anders als in La Laguna war in Stuttgart, genauer gesagt in der Klinik Schwandtnertal, niemand bereit, auch gegen Zücken eines blauen Scheines Auskunft über Lothar Heßbach zu geben. So sehr sich Armand bemühte, er griff ins Leere.
Auf dem Flughafen Stuttgart weigerte man sich, ihm in die Passagierlisten Einblick zu geben. »Sind Sie von der Kripo?« fragte der herbeigerufene Leiter des Check-ins kühl. »Bitte, zeigen Sie mir Ihren Ausweis.«
»Es handelt sich um einen Freund, den ich suche«, versuchte Armand zu erklären, aber mit dieser Begründung kam er nicht weiter.
»Wir dürfen keinerlei Informationen über Fluggäste herausgeben«, sagte der Schalterangestellte abweisend. »Bedaure, mein Herr.«
Armand verließ den Flughafen.
Die Situation befriedigte ihn in keiner Weise. Er saß jetzt hier in Stuttgart in einem guten Hotel, gab eine Menge Geld aus und kam sich nutzlos vor. Untätig zu sein bedeutete für ihn eine seelische Qual. Außerdem hatte er keine Lust, in Stuttgart zu warten, überhaupt in Deutschland zu bleiben, ein Land, das er nicht mochte. Es war ihm zu gut organisiert. Dem Süden galt seine Liebe. Und so beschloß er, seinen abgebrochenen Urlaub auf Fuerteventura fortzusetzten und dort zu warten, bis Heßbach aus dem Dunkel wieder auftauchte.
In Hamburg hatte Heßbach seine Dokumentation zusammengestellt. Der große Tag rückte näher, die Abrechnung mit der Öl-Connection.
Zusammen mit Greenpeace, den Umweltverbänden, dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, dem Bundesverband der Lotsen, der EG-Kommission für Umweltschutz, der See-Berufsgenossenschaft, dem ÖTV und der Lloyds-Versicherung lud Heßbach zu einer Pressekonferenz ein.
Der alte Bertram sichtete noch einmal das gesammelte Material und war voller Bedenken. Er erkannte natürlich die Brisanz der Enthüllungen, aber er ahnte auch, wie gefährlich diese Wahrheiten waren. Ein kleiner Kapitän stinkt gegen die Macht der Reeder an. Ein Idealist attackiert die Regierung. Ein einzelner stellt Forderungen, die die gesamte Frachtschiffahrt auf den Kopf stellen würden. Die Gefahr, eine lächerliche Vogelscheuche zu werden, lag auf der Hand. Die Gegner würden ihn zu einem Öko-Clown degradieren, wie sie es schon laufend mit Greenpeace und anderen Umweltorganisationen versuchten. Nichts aber ist schädlicher als lächerlich zu wirken.
»Glaubst du, daß die breite Masse, die du ja ansprechen willst, das alles versteht, was du da gesammelt hast? Die meisten haben ein Auto und brauchen Benzin. Die meisten heizen mit Öl und wollen nicht frieren. Die gesamte Kunststoffindustrie lebt vom Öl. Die chemischen Werke, die Autohersteller, die Elektrizitätsbetriebe, die ganze Schiffahrt ohne Öl?! Kannst du eine Alternative
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