Öl-Connection
natürlich auch gegen Dr. Wolffers. Ich glaube kaum, daß Wolffers ihn jetzt noch einstellen wird! Der Junge ist und bleibt unbelehrbar. Zu mir hat er nur gesagt, er wolle über die Gefahren für die Nordsee reden. Und was tut er? Er beleidigt alle Welt!«
»Aber wenn er recht hat …?« warf Frau Bertram ein.
»Hat er eben nicht. Die Kapitäne und Offiziere, die ich kenne, haben alle eine hervorragende Ausbildung und haben ihre Patente nicht in Südamerika gekauft.«
»Du hast ja auch nur Schiffe unter dem ersten Register gefahren, die durch den Germanischen Lloyd abgenommen worden waren. Du hast nie ein Billigflaggenschiff gehabt.«
»Aber ich kenne eine Menge Kapitäne, die unter dem zweiten Register fahren. Alles tadellose Kerle!«
»Bis heute hast du immer über die Billigflaggen geschimpft und sie verteufelt!« sagte Luise. »Und auf einmal, nur, weil Lothar alles schonungslos aufdeckt, ist alles anders …?«
»Er verallgemeinert … da liegt die Gefahr. Auch deutsche Reeder haben Schiffe unter dem zweiten Register mit qualifizierten Mannschaften und Offizieren fahren.«
»Und warum haben sie dann aus Deutschland ausgeflaggt?«
»Aus Kostengründen.«
»Also hat Lothar doch recht!« Luise klatschte in die Hände, als Heßbach sich wieder zum Mikrofon beugte. Er blickte hinunter zu den Bertrams und nickte ihnen zu. »Es geht nur um den Profit!«
Das Gemurmel im Zelt erstarb, alle starrten wieder zu Heßbach.
»Das war nur ein grober Überblick über die Gefahren, denen die Weltmeere ausgesetzt sind. Kommen wir jetzt zu einem Gebiet, das uns besonders am Herzen liegt: die Nordsee. Was hier gesündigt wurde und wird, welche Gleichgültigkeit hier um sich gegriffen hat, wie butterweich sogar unsere Politiker in Bonn reagieren, das ist ein Skandal. Auf der meistbefahrenen Schiffsroute der Welt, der Deutschen Bucht, geschehen jedes Jahr Dinge, von denen bis auf ein paar Experten in den verschiedenen Ämtern, Verbänden, Organisationen und Naturschutzbünden kaum einer etwas erfährt.«
Auf der großen Leinwand neben der Tribüne erschienen Zahlenkolonnen, die ein Bild von der Menge der größeren und kleineren Unfälle und Fastunfälle gaben.
»Dies ist aber nur die Spitze eines Eisberges! Der schwimmende Tod, wie er durch den total manövrierunfähigen Tanker Unico II auf unsere Küste zukam, war ein Warnsignal, das nicht ungehört verhallen darf: So geht es nicht weiter! Das Bild, was passiert wäre, wenn die Unico auseinandergebrochen wäre und 100.000 Tonnen Öl auf uns zugetrieben wären, übertrifft alles Vorstellungsvermögen. Das Schiff, das von einer Klassifikationsgesellschaft in Panama ins Register genommen wurde, war schrottreif. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Reeder der Billigflaggen Sicherheitsvorschriften durch Schmiergelder umgehen. Auch im Falle eines Untergangs der Unico hätte es keinen Schuldigen gegeben. Der Kapitän ist gestorben, der Reeder sitzt in Panama, und sein größter Ärger ist, daß sein Tankerfossil nicht untergegangen ist, sondern gerettet wurde und nun in Hamburg an der Kette liegt.« Heßbach holte tief Atem. »Es gibt einen ganzen Katalog von Sofortmaßnahmen, die nötig sind, um die Nordsee zu retten. Da nützt es auch nichts, wenn man alle Warnungen als billige Panikmache hinstellt, die Umweltorganisationen lächerlich machen will, Politiker, Interessenvertreter von Industrie und Landwirtschaft und sogar Beamte der Seeämter – die es besser wissen müßten – Dementis verbreiten – die Nordsee wird in absehbarer Zeit ein biologisch totes Meer sein! Wie man die Probleme zur Seite schieben will, hat der stellvertretende Kurdirektor von Westerland vorgeführt: Vor Presse und Fernsehen nahm er demonstrativ einen kräftigen Schluck Meerwasser zu sich, um zu beweisen, daß das Baden in der Nordsee unbedenklich sei. Doch Badewassergüte und die ökologische Überlebensfähigkeit sind völlig verschiedene Dinge. Der Schluck von Westerland ging damals um die ganze Welt, dafür sorgten Presse und Fernsehen! Kommentarlos! Und die Politiker schliefen beruhigt weiter … Sie tun es bis jetzt. Was bei allen Konferenzen herauskommt, sind Empfehlungen, aber keine Gesetze. Und erst kürzlich hat die Bundesregierung ein Abkommen unterzeichnet, daß diese Rostkähne bis zum Jahre 2005 ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen fahren können. Erst dann wolle man Doppelböden und Zweitmaschinen vorschreiben! Bis zum Jahre 2005 …«
Heßbach gab dem Mann am Projektor ein Zeichen
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