Öl-Connection
abgetan. Steigen Sie aus.«
»Ich muß zu einer dringenden Verabredung.«
»Das glaube ich Ihnen gern. Aber Einbahnstraßen sind nun einmal Einbahnstraßen.«
»Ich muß …« versuchte es Armand noch einmal. Aber nun wurde Hüppe ungeduldig.
»Aussteigen!«, sagte er schärfer. »Ihre Papiere!«
»Diesen Ton lasse ich mir nicht bieten!« wehrte Armand ab.
Das war nun ein grober Fehler gewesen.
»Zum letzten Mal – aussteigen! Bis jetzt wären Sie mit zehn Mark dabeigewesen, nun werden es dreißig!«
Armand sah auf seine goldene Armbanduhr: Die Zeit raste. Er griff in die Rocktasche, holte eine Hundertmarkschein heraus und hielt ihn Hüppe hin.
»Da haben Sie hundert!« sagte er. »Aber lassen Sie mich weiterfahren.«
Hüppe erstarrte. Er zog an seinem Rock und rückte die Mütze zurecht. Armand fragte sich, was er nun wieder falsch gemacht habe. Mit einem Flic in Paris konnte man verhandeln, ein Polizist in Lateinamerika hätte, ohne mit der Wimper zu zucken, den Geldschein eingesteckt, und in Asien – mit Ausnahme von Singapur natürlich – hätte sich der Polizist sogar höflich bedankt. Hier aber, in Deutschland, schien jeder, der eine Uniform trug, die Welt neu zu erfinden.
»Was ist denn nun schon wieder?« fragte Armand ungeduldig.
»Was fällt Ihnen ein?« Hüppe holte tief Luft. »Sie wollen mich bestechen?«
»Bestechen? Ich gebe Ihnen hundert Mark, damit kann ich, nach Ihren Gebührensätzen, zehnmal durch die Einbahnstraße fahren. Ich habe es aber nur einmal getan.«
Nun packte den Polizeihauptwachtmeister die Wut. »Werden Sie nicht frech!« rief er. »Sie wollen mich bestechen und dann noch Widerstand leisten? Aussteigen, sage ich. Schließen Sie den Wagen ab und kommen Sie mit!«
»Wohin?«
»Zur Wache. Ich werde ein Protokoll aufnehmen! Name?«
»Gérard Armand.«
»Gé…« Hüppe holte tief Luft. »Ausländer?«
»Ja, Franzose.«
»Auch das noch! Kennt man in Frankreich keine Einbahnstraßen?«
»Ich hatte schon meinen Führerschein, als Sie noch in den Schulpausen onanierten!« schrie Armand aus dem Auto. »Ich denke nicht daran, mit Ihnen zur Wache zu gehen!«
»Das wollen wir mal sehen!« Hüppe griff zu seinem Funksprechgerät und rief die Polizeiwache an. »Hier Hüppe. Gustav? Komm mal mit 'nem Peterwagen zur Engelstraße. Hier ist einer in die Einbahnstraße gefahren und weigert sich, auszusteigen und seine Papiere zu zeigen. Mit hundert Mark wollte er mich bestechen. Ja, so was gibt's. Ausländer …«
Dieses Reizwort zeigte Wirkung. Schon Minuten später war Polizeiwachtmeister Ackermann mit Blaulicht und heulender Sirene in der Engelstraße.
Er warf einen ersten abschätzenden Blick auf Armand und spürte sofort Abneigung gegen diesen Menschen. Ein feiner Pinkel, dazu noch Ausländer … die Typen kennt man! Kommen aus dem Milieu, haben ihre Pferdchen auf der Reeperbahn laufen, kassieren ab, leben wie die Made im Speck, bescheißen die Steuer und teilen unter sich den Hurenstrich auf. Nur eins paßt nicht in das Bild: das Auto, Opel Kadett, älteres Baujahr. Außerdem vermeiden die schweren Brüder jede Auseinandersetzung mit der Polizei, schon gar wegen eines Kavaliersdelikts. Irgend etwas stimmte hier nicht.
»Alkohol?« fragte Ackermann seinen Kollegen.
»Hab ich noch nicht kontrolliert.«
Ackermann holte ein Röhrchen und hielt es Armand hin. »Blasen!« sagte er im Befehlston. Armand schüttelte den Kopf.
»Ich blase nicht –«, sagte er. »Ich lasse blasen!«
»Sie weigern sich?«
»Ja.«
»Wir können Sie zwingen!«
»Ich werde mich wehren!«
»Da haben wir's«, konstatierte Hüppe. »Deshalb habe ich dich gerufen, Gustav. Also, hopp!«
Jetzt öffneten sie die Wagentür, packten Armand an der Schulter, zogen ihn von seinem Sitz und drehten ihm die Arme auf den Rücken. Dagegen war Armand wehrlos. Er biß die Zähne zusammen, ließ sich zum Peterwagen schleifen und hineinstoßen, und als er auf dem Rücksitz saß, neben sich den finsteren Hüppe, sah er wieder auf seine Armbanduhr. 9.22 Uhr. In einer halben Stunde würde Heßbach auf dem Podium sitzen, im hellen Scheinwerferlicht, ein ganz einfaches Ziel.
Statt dessen fahre ich jetzt auf ein deutsches Polizeirevier, dachte Armand wütend. Mein Gewehr liegt auf dem Hintersitz des zurückgelassenen Autos. Und alles, weil ich eine Einbahnstraße nicht beachtet habe. Das glaubt mir keiner, am wenigsten Dumoulin. Er wird mich einen Idioten nennen, und diesmal hat er sogar recht. Aber noch habe ich
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