Öl-Connection
spurlos, und Nyen brachte von seinen Raubzügen frisches, zartes Fleisch mit. Mehr als Fleisch bedeuteten sie auch für die Piraten nicht … und wenn Fleisch alt wurde, warf man es weg. Dr. Kagoshima hatte es einmal zufällig beobachtet. Am Abend, bei Sonnenuntergang, wenn die Haie ihre Nahrung jagten, war ein Motorboot hinaus aufs offene Meer gefahren und kam nach einer halben Stunde wieder zurück. Am nächsten Morgen fehlten vier Mädchen. Niemand sprach darüber.
Nyen trat wieder vor und drehte Hammerschmidt an der Schulter zu sich herum.
»Genug!« sagte er. »Wenn ich nicht wüßte, daß Sie verheiratet sind, würde ich denken, daß Sie auf Männer stehen. Soll auf Schiffen gar nicht so selten sein.« Er zeigte auf sein Haus. »Kommen Sie mit. Ich habe es mir überlegt. Sie wohnen bei mir.«
»Also eine Strafverschärfung.« Was habe ich zu verlieren, dachte Hammerschmidt bitter. Lebenslänglich auf dieser Insel mitten im Südchinesischen Meer – das ist wie ein Tod auf Raten. Man stirbt langsam, aber sicher.
»Sie haben Glück, Kapitän«, antwortete Nyen finster. »Wenn ich Sie nicht so schätzen würde, hätten Sie jetzt ein Messer im Bauch.«
»Sie schätzen mich?« fragte Hammerschmidt erstaunt.
»Ich mag mutige Männer, auch wenn Ihr Mut der Gipfel der Dummheit ist. Sie sind ein kluger, tapferer Mensch, aber doch ein germanischer Idiot! Das beruhigt mich. Sie werden nie auf den Gedanken kommen, mir nachts die Kehle durchzuschneiden.«
»Ich heiße nicht Nyen Su-Feng.«
»Das ist es, was Ihnen fehlt! Sie sind bereit, still zu dulden. Sie denken nicht zuerst an sich, sondern an Ihre Offiziere. Ich brauche Sie gar nicht zu bewachen, denn Sie wissen, daß jede Dummheit, die Sie begehen, mit dem Tod Ihrer Offiziere geahndet wird. Sie können sich also frei bewegen, mit ihren Offizieren Skat spielen, mit Dr. Kagoshima No spielen, auf den Weibern reiten oder mit meinen Männern Basketball spielen. Sie können tun, was Sie wollen, nur eins sollten Sie nie versuchen: mir zu widersprechen oder störrisch zu sein.«
»Sie sind sich zu sicher, Nyen.« Hammerschmidt folgte Nyen zu seinem Haus. »Man wird längst nach der Else Vorster suchen. Sobald die Reederei keine Funkverbindung mehr hat, gibt es Alarm!«
»Ich sage ja: Sie sind ein Rindvieh!« Nyen lachte kurz auf. »Ihr Funker Hakahiro ist in ständiger Verbindung mit Ihrer Reederei und den Küstenstationen. Ihre letzte Meldung lautet, daß die Else Vorster steuerbord die Insel Aur passiert hat.«
»Ich gebe das Rindvieh zurück! Die Insel Aur liegt außerhalb der Schiffahrtsstraße.«
»Der Ball kommt wieder zu Ihnen: Wir haben den Kurswechsel damit begründet, daß Sie eine Piratenwarnung bekommen haben und ausgewichen sind. Um die Else Vorster nicht in Gefahr zu bringen, steuern Sie Singapur abseits der Straße an.«
»Und das glaubt die Reederei?«
»Man ist sogar stolz auf Sie. Es kam eine Meldung aus Vinh-loi in Südvietnam durch, daß bei der Insel Con Son ein japanischer Frachter von Piraten überfallen worden ist. Ich nehme an, das war mein Kollege Ya Plong Thung, ein fleißiger Thailänder. Ihr Reeder Dr. Wolffers hat persönlich sagen lassen: ›Ich bin Ihnen zu ewigem Dank verpflichtet.‹ Ist das nicht schön?«
»Und was werden Sie in zwei Tagen funken, wenn wir in Singapur eintreffen müßten?«
»Ich werde mich bei Dr. Wolffers für das Geschenk bedanken, das ich mir genommen habe.«
Sie hatten den Eingang des Hauses erreicht. Es war ein massiver Bau aus Felsgestein mit einem Dach aus Steinplatten. Die Holzfenster waren bunt bemalt.
»Und dann geht die internationale Suche los.«
»Sie sind ein Optimist! Nichts wird man tun. Was hat man bei den bisherigen Piratenüberfällen getan? Laut geklagt, der Welt etwas vorgejammert, und nach drei Tagen hatte die Welt es wieder vergessen. Und die Reeder, auch die deutschen? Sie haben ihren Kapitänen und Mannschaften geraten, sich bei Überfällen nicht zu wehren, nicht unnütz ihr Leben aufs Spiel zu setzen, sondern sich ruhig zu verhalten. Es ist ja alles versichert. Seitdem ist es für uns leicht und risikolos, ein Schiff zu kapern. Wir bedienen uns wie in einem Supermarkt! Auch Ihr Dr. Wolffers wird schreien und dann Schiff und Ladung abschreiben und die Versicherung zur Kasse bitten. Er wird einen kaum erwähnenswerten Verlust haben.«
»Da kennen Sie Dr. Wolffers schlecht. Er hat weltweite Verbindungen.«
»Sie werden ihm wenig nützen.«
»Hier geht es um die Else Vorster,
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