Öl-Connection
Nyen. Das ist kein Schiff wie ein anderes. Ist Hakahiro noch an Bord?«
»Ja. Er wird noch zwei Tage funken …«
»Und dann?«
»Dann wird er seine Ahnen wiedersehen«, erklärte Nyen eiskalt.
»Mord ist für Sie wohl ein Vergnügen.«
»Nein, eine Notwendigkeit. Hakahiro hat seine Pflicht getan – wohin jetzt mit ihm? Sie haben als Kapitän auch gelernt, praktisch zu denken. Wenn man in einen Sturm kam und das Schiff lag zu schwer im Wasser, was tat man da? Man warf Ballast ab! Nichts anderes tue ich auch.«
»Ein Mensch ist keine Kiste, die man über Bord wirft.«
»Ich gebe Ihnen recht.« Nyen lächelte ironisch. »Ein Mensch ist noch weniger wert.«
»Und wann werfen Sie mich über Bord?«
»Die Frage haben Sie nun schon dreimal gestellt. Sie scheinen sehr am Leben zu hängen.«
»Sie nicht?«
»Nein. Warum soll ich mir über den Tod Gedanken machen. Alles ist vorbestimmt. Ich kann es nicht ändern, also habe ich keine Angst. Was habe ich zu verlieren? Das Leben des Nyen Su-Feng … ich werde in einem anderen Körper auf diese Erde zurückkehren. Der ewige Kreislauf: Ich muß gehen, und ein anderer Körper wartet auf mich. Daran glaube ich, und deshalb habe ich keine Angst vor dem Sterben. Das ist das Unbegreifliche der westlichen Welt: Alle zittern vor dem Tod. Weil sie glauben, sie seien einmalig. Als schwerste Strafe gilt bei euch Weißen die Todesstrafe. Wie sinnlos, wenn man weiß, daß nur ein Körper stirbt und ein neuer bereitsteht für ein anderes Leben.«
»Sie reden Unsinn, Nyen. Gerade bei euch ist die Todesstrafe noch immer die letzte Konsequenz.«
»Haben Sie mal einen Asiaten oder Araber durch einen Genickschuß oder durch Erhängen sterben sehen? Sie gehen hocherhobenen Hauptes zur Hinrichtung. Sie betteln nicht um letzte Gnade. Sie nehmen den Tod hin, nicht als Strafe, sondern als schicksalsgewollt.« Nyen zeigte in den Hauseingang: Es war eine Einladung, einzutreten. »Wir werden uns da nie einig werden, Kapitän. Aber Sie sollten überlegen, ob Sie die richtige Einstellung zum Sterben haben. Es fällt einem leichter, wenn man sagt: Es ist alles vorbestimmt, und ich werde weiterleben.«
»Soll das eine geistige Vorbereitung für mich sein?«
»In dieser Frage höre ich schon wieder Angst heraus. Ich brauche Sie noch. Das bedeutet: Sie werden leben.«
»Und meine Offiziere?«
»Sie sind mein Faustpfand. Sie können bei mir fressen, saufen und huren, solange Sie das tun, was ich von Ihnen will.« Nyen wurde ungeduldig. »Lassen Sie uns ins Haus gehen«, sagte er. »Ich habe Hunger und Durst und möchte wie ein Veteran in einem Sessel sitzen und die Beine hochlegen. Mit Ihnen zu diskutieren ist sowieso unfruchtbar. Ich meine, daß Sie noch gar nicht begreifen, wo Sie sind und was Sie sind.«
»Bringen wir es auf einen Nenner: Ich bin Ihr Sklave.«
»Sehen Sie, das meine ich! Sie haben den völlig falschen Blick: Sie sind nicht mein Sklave, sondern mein Teilhaber.«
»Wie bitte?« Hammerschmidt glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Sagten Sie Teilhaber?«
»So ist es Kapitän. Ich kapere die Schiffe, und Sie fahren sie dann. Wie die Else Vorster immer hinter mir her, in Kiellinie. Ich beteilige Sie sogar mit 15 Prozent am Gewinn. Ist das ein faires Angebot von einem Piraten?«
»Und Sie glauben, ich mache da mit?«
»Sicherlich!« Nyen grinste breit. »Ich werde Ihnen jede Woche Ihre vollgefressenen Offiziere vorführen und damit Ihr Pflichtgefühl wachhalten. Entweder – oder!«
»Sie sind ein Satan!« rief Hammerschmidt.
Nyen nickte. »Auch das ist eine alte Vokabel von Ihnen! Und ich schlucke sie, weil ich Sie brauche. Ihren Chief, der mich beleidigt hat, brauchte ich nicht … Sie haben es ja gesehen.«
»Und ich werde es auch nie vergessen.«
»Das wäre auch dumm!« Nyen zeigte wieder ins Haus. »Gehen wir nun endlich?«
Das Innere des Steinhauses war eine Überraschung. So grau und unscheinbar das Gebäude von außen aussah, wenn man es betrat, empfing einen der Luxus eines chinesischen oder thailändischen Palastes. Mit Seide bespannte Wände, vergoldete Holzschnitzereien, bizarre Götterfiguren, große Gebilde aus verschiedenfarbiger, kunstvoll geschnitzter Jade, Diwane mit weichen Kissen, Tische aus Rosen- oder Eisenholz, Seiden- und Damastvorhänge, wundervolle Teppiche mit Bildornamenten, goldene und silberne Lampen … ein Märchen, wie man es sonst nur von Bildern aus den Palästen der Kaiser und Maharadschas kennt.
Hammerschmidt blieb schon in der
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