Öl-Connection
Wenn Ihre Unico II im Orkan gebrochen wäre, was wäre dann passiert?«
»100.000 Tonnen Rohöl wären an die deutschen Küsten geschwommen. Opfer einer Naturgewalt. Windstärke zwölf würde sogar Ihrer Else Vorster sehr zu schaffen machen, und es war ein neues, bestens ausgerüstetes Schiff.«
»Die Unico II ist über achtzehn Jahre alt.«
»Dr. Wolffers!« rief Jeanmaire scharf. »Sie sitzen im Glashaus und werfen noch mit Steinen! Soll ich daran erinnern, wie alt die Mehrzahl Ihrer Schiffe ist? Sie verstecken sich immer hinter Ihrem supermodernen Containerschiff, und das gelingt Ihnen vorzüglich. Aber wenn jemand hinter den Neubau blickt, entdeckt er auch bei Ihnen einen Schrottplatz.«
Wolffers schwieg. Er senkte den Kopf und verzichtete auf eine Antwort. Man war hier unter sich, und jeder wußte von jedem, daß keiner einen Grund hatte, sich gegen andere aufzuspielen.
»Das Alter unserer Tanker.« Jeanmaire blätterte in einigen Papieren vor sich. »Wir alle scheinen vergessen zu haben, wie die Realität ist. Ein Supertanker kostet heute rund 150 Millionen Dollar, und die Werftpreise steigen. Diese 125 Millionen Dollar bedeuten einen Kapitalaufwand von jährlich 10 bis 15 Millionen Dollar. Um einen Verdienst beim Öltransport zu erzielen, müssen wir eine Charterrate von täglich 60.000 Dollar veranschlagen. In Wirklichkeit erhalten wir aber nur 15.000 Dollar pro Tag. Um überhaupt leben zu können, müssen wir unsere Tanker mindestens zwanzig Jahre laufen lassen, müssen wir an der Besatzung sparen, an der Wartung, an Erneuerungen, an der Heuer, die natürlich weit unter den Gewerkschaftsforderungen liegt. Wir müssen die Sicherheitsvorschriften umgehen, indem wir Registrierungen in Drittländern wie Liberia, Panama, St. Vinzenz vornehmen. Sie kennen das ja alles! Kostenersparnis um jeden Preis ist die einzige Garantie zu überleben. Das alles sollen die neuen Gesetze uns verbieten. Schon bezeichnet man unsere Flaggen als Flags of Convenience und will uns damit an den Kragen. Das zu verhindern ist unsere vordringliche Aufgabe, nicht die Reparatur unserer Schiffe! Meine Herren, ich appelliere an Ihren kaufmännischen Verstand: Schöpfen Sie alle Verbindungen zu Ihren Regierungen aus, setzen Sie die besten Leute an, damit Ihr Land einen solchen Unsinn nicht unterzeichnet. Drohen Sie mit einem Zusammenbruch des Seehandels. Man weiß in den Ministerien, daß der Landweg um ein Vielfaches mehr kostet als der Seeweg. Das würde das Öl dermaßen verteuern, daß es in der Bevölkerung massive Unzufriedenheit nach sich ziehen würde. Der gefährlichste Gegner der Regierungen ist der geschröpfte Autofahrer! Das sind Argumente, die jeder Minister versteht, auch wenn er von Seefahrt keine Ahnung hat.«
»Die Regierungen sperren sich«, warf ein Reeder aus Frankreich ein. »Die Ereignisse vor Teneriffa haben die ganze Diskussion neu entfacht. Und dann, Mr. Bouto, Ihr Kapitän Heßbach! Seine Pressekonferenz war eine Ohrfeige für uns alle, die wir noch lange spüren werden. Was da zur Sprache kam, sitzt in den Gehirnen fest. Das vergißt man nicht so schnell wieder. Durch Ihren Kapitän Heßbach ist uns ein ideeller Schaden entstanden, der auf die Dauer höher ist als der Verlust eines Supertankers. Diese Initiative kann uns entscheidende Türen bei den maßgeblichen Stellen verschließen!«
»Ich habe versucht, diese Konferenz zu verhindern!« sagte Jeanmaire, ehe Bouto ein Klagelied anstimmen konnte. Man sah seinem Gesicht an, daß er unter dieser Blamage sehr litt. »Ich habe auf Heßbach einen Mann ansetzen lassen, der das Problem still und elegant lösen sollte. Leider hat er in diesem Augenblick versagt.«
»Ich habe Kapitän Heßbach angestellt«, verkündete Wolffers der verblüfften Versammlung. »Nicht nur, weil er ein guter Seemann ist, sondern weil auf der Fahrt, für die ich ihn einsetzen werde, die Möglichkeit besteht, ihn für immer loszuwerden. Glauben Sie nicht, meine Herren, daß ich nicht kooperativ denke. Heßbach hat auch mir unendlich geschadet. Ich muß, schon des Images wegen, vier meiner Schiffe ausflaggen. Wir alle sind Heßbachs Opfer. Aber das regle ich.«
»Heßbach ist spurlos verschwunden.« Jeanmaire trank einen Schluck Mineralwasser. »Er soll sich in Togo aufhalten, ist die letzte Nachricht unseres Mannes, der auf seiner Fährte ist. Togo, da kann man unterkriechen für alle Zeiten. Aber ich vertraue unserem Mann. Er hat schon ganz andere Probleme gelöst. Was aber nichts
Weitere Kostenlose Bücher