Öl-Connection
seinen Augen. Ich verstehe. Alles war einkalkuliert … ein Verbrechen ohne Zeugen, das auch noch von den Versicherungen bezahlt wurde.
»Jeanmaire«, sagte Svensson plötzlich kalt. »Ich handle jetzt, wie ich es für nötig halte! Wenn ich das Schiff rette, werde ich die Wahrheit in die Welt schreien! Ich erledige Sie, Jeanmaire!«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Svensson.« Jeanmaires Stimme klang wieder väterlich. »Sie haben keinen Zeugen. Wem, glauben Sie, wird man mehr trauen: Ihnen oder der Reederei? Man wird Sie für nervenkrank erklären. Die dauernde Belastung … da dreht man mal durch. Außerdem liegt bei der Zentrale – von mir abgezeichnet – eine Durchgabe an Sie vor, in der ich Ihnen alle Entscheidungen ohne Rückfrage an die TAS überlasse. Passiert also etwas, müssen Sie sich dafür rechtfertigen, nicht die Reederei.«
»Sie Saukerl!«
»Danke, Käpt'n.«
»Und wenn die Unico auseinanderbricht, verseuchen 110.000 Tonnen Öl die Küsten von Deutschland.«
»Das ist das Problem der anderen. Nicht meins. Auch Ihr Problem, denn Sie haben den Tanker gefahren.«
»Sie Hurenbastard!« Svensson sagte es mit eiskalter Stimme. »Als die Valdez im März 1989 vor Alaska auseinanderbrach, verseuchte der Ölteppich 750 Kilometer Küste! Und da waren nur 35.000 Tonnen Öl ausgeflossen. Ich habe 110.000 Tonnen in den Tanks … das ist ein Supergau! Dagegen ist die Valdez -Katastrophe, als wenn jemand an den Strand gepinkelt hat!«
»Ihre Schuld, Svensson! Sie werden bis zum Lebensende keine ruhige Stunde mehr haben. Und jetzt tun Sie, was Sie wollen. Nur: Wenn Sie Großbritannien und Irland umrunden und kommen über den Atlantik und die Straße von Dover fünf Tage später in Rotterdam an, hänge ich Ihnen den Millionenverlust an den Hals! Ende.«
Jeanmaire legte auf. Auch Svensson warf den Hörer hin und ging um die Zwischenwand, die Kartentisch und Kommandozentrale trennte, herum zu Pusenke. Der hing am Ruder und starrte in das Inferno vor sich. Haushohe Brecher schlugen auf die Unico ein.
»Nichts Neues, Käpt'n«, sagte er gewohnheitsmäßig. »Nur – ich habe halbe Fahrt signalisiert.«
»Das hilft uns auch nichts mehr, Pusenke.« Svensson duckte sich unwillkürlich, als ein Brecher, höher als die Aufbauten des Schiffes, auf sie niederdonnerte. Eine Reflexbewegung, aber sie zeigte die ganze Ohnmacht des Menschen gegen die Gewalt der entfesselten Natur.
»Ich bin nur über eins froh, Käpt'n«, sagte Pusenke, als das Wasser von der großen gebogenen Scheibe geronnen und wieder klare Sicht war.
»Über was?«
»Daß ich weder Frau noch Kinder hinterlasse. Wir gehen doch alle drauf, nicht wahr, Käpt'n? Jetzt oder in zehn Minuten oder in einer Stunde … die Zeit spielt keine Rolle mehr.«
»Pusenke, wo ist Ihre Kaltschnäuzigkeit geblieben? Es gibt immer ein Schlupfloch, sagte die gehetzte Maus und verschwand in einer Mauerritze.«
»Wir verschwinden in der Nordsee … der Vergleich stimmt genau.«
Andersen kam die Treppe hinauf zur Brücke, er sah bleich und zerknittert aus und machte keinen Versuch zu verstecken, daß er Angst hatte. Der letzte Brecher hatte ihn aus dem Bett geschleudert.
»Warum sind wir nicht bei Seewolf geblieben?!« schrie er. Verzweiflung und Todesangst ließen seine Stimme wanken. »Hier kommen wir nie wieder raus!«
»Wenn jeder herumschreit, sicherlich nicht.« Svenssons Blick klammerte sich an Pusenke fest. »Kalle«, sagte er, und Pusenke zuckte zusammen. Es geht zu Ende, durchfuhr es ihn. Wenn ein Mann wie Svensson mich Kalle nennt, ist der Himmel nahe.
»Käpt'n?« antwortete er heiser.
»Sie sind ein fabelhafter Steuermann.«
Pusenke senkte den Kopf. Er atmete ein paarmal tief durch und sah dann Svensson mit großen, ehrlichen Augen an.
»Ich muß ein Geständnis machen, Käpt'n«, sagte er und holte noch einmal tief Luft. »Ich … ich habe gar kein Steuermannspatent.«
»Drehen Sie nicht durch, Kalle, ich habe es selbst gelesen.«
»Es ist falsch. Ich habe es in Hongkong vor zwei Jahren gekauft, für lumpige fünftausend Dollar. Ich habe nicht die geringste Ausbildung für die Seefahrt.«
»O Gott!« Andersen warf beide Hände vor sein zuckendes Gesicht und taumelte gegen die Brückenwand. »Und er fährt einen Supertanker.«
»Übung, weiter nichts.« Pusenkes Augen bettelten. Bring mich jetzt nicht um, Käpt'n, wir sind sowieso verloren. »Als ich das Patent gekauft hatte, bin ich im Hafen von Hongkong hin und her gefahren. Nach Lantau,
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