Öl-Connection
keine Zeit für dumme Sprüche! Ich bin nicht gewillt, offenen Auges zuzusehen, wie eine Katastrophe näherrückt, die wir verhindern könnten.«
»Ich auch nicht, Herr Ministerialrat. Sobald es möglich ist, wird eine ganze Flotte von Bergungsschiffen und Schleppern auslaufen. Alle Schiffe auf den fraglichen Routen sind gewarnt. Gebe Gott, daß die Stahlwände des Tankers nicht zu sehr durchgerostet sind und den irren Druck der Brecher aushalten. Das ist die größte Gefahr … Auflaufen kann er in dieser Position nirgendwo. Wenn wir nur wüßten, wie der Pott heißt! Warum meldet sich seit Tagen der Reeder nicht?!«
»Nehmen wir an, der Tanker fährt unter einer Billigflagge, ist älter als fünfzehn Jahre, die Stahlstärke des Rumpfes ist durch Rost herabgemindert …« Dr. Bergfried machte eine kurze Pause, um seinen nachfolgenden Worten noch mehr Gewicht zu geben, »dann ist der Verlust des Schiffes ein Gewinn für den Reeder.«
»Sie unterstellen …« Hintze rang die Hände. »Das sind ja Mafia-Methoden!«
»Das Schiff ist durch eine Klassifikationsgesellschaft, die mit dem Reeder befreundet ist – vorsichtig ausgedrückt! – als einwandfreies, gut gepflegtes Schiff deklariert worden. Danach richten sich Versicherungshöhe und -prämie. Nun kommt ein willkommener Orkan, der Tanker bricht auseinander, die Versicherung wird fällig … ein Millionengewinn! Das ist doch eine ganz einfache Rechnung, meine Herren.«
»Das ist ein Verbrechen!« rief Hintze. »Und das Öl, das ausläuft? Die Küsten, die verseucht werden? Der Tod von Hunderttausenden von Lebewesen?«
»Das interessiert den Reeder nicht. Naturgewalt! Er wird sich selbst als Opfer hinstellen. Und – im schlimmsten Fall – ist immer der Kapitän mit seiner Mannschaft der Schuldige. Menschliches Versagen … aber weisen Sie das mal nach!«
»Und Sie glauben, Dr. Bergfried, daß der Tanker, der auf uns zutreibt …«
»Wir wissen es nicht. Wir können uns auch gründlich irren. Auffällig ist nur: Warum alarmiert der Reeder nicht die Seeüberwachung? Er kennt doch den Kurs seines Tankers, er weiß, wo der Funkverkehr abbrach … aber er schweigt!«
Drei Tage und Nächte lang trieb die Unico auf offenem Meer.
Sie war zum Spielball der Nordsee geworden. Wo sie sich nun befanden, wußte Svensson nicht mehr zu sagen. Der Kompaß, das einzige Orientierungsinstrument, das ihm geblieben war, spielte verrückt … mal scharf West, dann wieder Süd, sogar Ost, ein Beweis, daß der Tanker manchmal im Kreis getrieben wurde, um sich dann wieder, durch die Wind- und Strömungsrichtung, auf Süd-West auszurichten.
Der dichte, alles verschluckende Nebel blieb. Aber auch klare Sicht hätte Svensson nichts geholfen. Wenn man nicht weiß, wo man sich befindet, sieht das Meer nach allen Richtungen gleich aus. Svensson, der über der Seekarte brütete, war sich klar, daß jede Richtung das Ende der Unico II bedeuten konnte.
Seit drei Tagen und Nächten saßen sie herum, zur Untätigkeit verurteilt, lasen, schliefen oder spielten Skat, tranken Whisky und waren sehr einsilbig. Worüber sollte man sich auch unterhalten? Alles war schon gesagt, und man lauschte auf das Stöhnen und Ächzen des Schiffsrumpfes, wartete auf die Riesenwelle, die die Unico II auseinanderbrechen würde. Abwechselnd standen sie auf der Kommandobrücke und blickten in die tosende Nordsee … dieser Ausguck war Routine, er war eigentlich sinnlos, denn der dichte Nebel schloß sie wie in einem grauen, engen Kasten ein, und selbst, wenn man etwas sehen würde, eine Küste, eine Insel, einen Felsen, es gab ja kein Ausweichen mehr: Das Meer bestimmte ihr Schicksal.
Nur noch fünf Mann waren an Bord: Svensson, Andersen, Pusenke und der Chief Dozek, der seine ölverkrustete, stinkende Kleidung über Bord geworfen hatte und nun in seiner Ausgehuniform herumlief. Es wirkte vollkommen lächerlich, aber Dozek meinte mit Galgenhumor: »Einem Toten zieht man immer etwas Schönes, Feierliches an … Ihr seht, ich habe mich darauf schon eingerichtet.«
Als die gesamte Crew sich mit den Rettungsinseln in die tobende See stürzte, war einer seltsamerweise zurückgeblieben: der bis aufs Blut beleidigte, gedemütigte Karibikneger, der Funker. Als er nach Abzug der Mannschaft auf der Brücke erschien, war selbst Svensson sprachlos.
»Sir«, sagte er mit einer fast bettelnden Stimme. »Alle sind weg … ich bleibe hier.«
»Das sehe ich.« Svensson schüttelte den Kopf.»Erst gibst du dem Schiff den
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