Öl-Connection
Tabellen und Berichte, und vor unseren Augen kann es zum Untergang kommen! Verdammt nochmal, wie kann überhaupt so ein Riesentanker in die Nordsee kommen? Hier ist doch nicht der Persische Golf!«
»Die Nordsee birgt zwischen Norwegen und Großbritannien riesige Öl- und Gasvorkommen. Schon heute spielt das Nordsee-Öl eine wichtige Rolle in dem Bestreben nach Unabhängigkeit von den arabischen Staaten. Um Ihnen die Situation zu veranschaulichen, finden Sie am Ende der Seiten eine Karte der Nordsee, die Aufschluß über die Öl- und Gasvorkommen gibt, die Hauptschiffahrtslinien zeigt, aber auch darstellt, wie weit die Vergiftung bereits fortgeschritten ist. Auch die Flüsse mit Industrieschmutz tragen dazu regelmäßig ihren Part bei. Über diese ›stillen‹ Vergifter spricht kaum jemand. Da bilden die Industriemanager eine geschlossene Front, leider«, er blickte Hintze an, »mit Unterstützung der Ministerien, die zu immer neuen Zugeständnissen und Ausnahmeregelungen bereit sind!«
»Dagegen verwahre ich mich!« rief Hintze erregt. »Die gesetzlichen Grundlagen …«
»… werden von der Wirtschaft manipuliert! Wenn es heißt, bis zum Jahre 2000 darf noch dieses und jenes erlaubt sein – ich erinnere nur an die Verklappung – dann ist das ein Kotau vor der Weltwirtschaft. Es wird zwar laut gezetert, aber leise gehandelt.«
»Wir streben eine Sondersitzung der Verkehrs- und Umweltminister der EG an.« Hintze blickte auf die Karte, die die Nutzung der Nordsee darlegte. »Wir werden durchgreifende Maßnahmen fordern.«
»Und damit den Protest der unter Zweitflaggen fahrenden Reeder hervorrufen. Einen weltweiten Protest … denn die ›Öl-Connection‹, wie wir sie nennen wollen, unter den Flaggen von Liberia, Panama, den Bahamas, Zypern, Bermuda, St. Vincent und anderen Staaten hat die Macht, mit ihren Super-Tankern die Weltwirtschaft zu beeinflussen.« Dr. Bergfried griff nach einem Bogen Papier auf einem kleinen Ablagetisch vor sich. »Ich kann Ihnen Zahlen, korrekte Zahlen nennen, meine Herren, über die Verteilung der Tonnagen der Ölfracht unter den verschiedenen Ländern! Der westafrikanische Staat Liberia ist die wichtigste Tankernation der Erde. Und warum? Niedrige Steuern, fehlendes Tarifrecht für die Crews, lächerliche Sicherheitsauflagen, Korruption in den Kontrollstellen. Aber nicht nur Liberia ist ein Paradies für die Billigflaggenschiffe. Panama, Bahamas, Zypern, Bermuda – um nur einige Namen zu nennen – stehen kaum dahinter zurück. Glauben Sie, daß ein deutscher Minister gegen diese Connection ankommt? Ausgerechnet ein Deutscher?! Bei vielen Empfehlungen und Vorschlägen sind sogar die USA zurückhaltend gewesen. Nicht ohne Grund: Die USA stehen an vierter Stelle der Liste. In den entscheidenden Schiffahrts-Gremien sitzen Connection-Leute. Die schütteln europäische Maßnahmen ab wie ein Hund Wassertropfen. Und dann die Konzerne, die in der Nordsee bohren!«
Hintze schob die Karte zur Seite. »Man kann das Grausen kriegen!« sagte er, nicht mehr so angriffslustig gestimmt. »Unsere schöne Nordsee.«
»Von vielen wird sie nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet.« Dr. Bergfried tippte mit dem Zeigestock auf eine zweite, an der Wand hängende Karte. »Das wird besonders deutlich, wenn Sie sich die Schiffahrtswege in der Nordsee ansehen und die Verteilung des jährlichen Schiffahrtsaufkommens. Am stärksten ist es auf den Routen in der Deutschen Bucht mit 80.000 Bewegungen, vor den Friesischen Inseln mit 67.000 Bewegungen, ab Texel sogar 83.000, und am Eingang des Ärmelkanals kumuliert das Ganze. Es ist ein Wunder, daß auf diesen Routen so wenig passiert. Aber es kann passieren … und zum jetzigen Zeitpunkt haben wir die größten Befürchtungen. Der unbekannte Tanker treibt in einem Gebiet, in dem sechs Routen zusammentreffen und sich überschneiden.«
»Und kein Mensch sieht ihn!« rief Hintze erregt.
»Wir alle sehen ihn … auf dem Monitor des Radars. Auf See, bei diesem Nebel und diesem Wellengang ist er unsichtbar.«
»Viele kluge Worte … aber wir sind immer noch am selben Punkt wie vor über einer Stunde. Die Katastrophe treibt auf uns zu …«
»Und die Natur ist im Augenblick stärker als wir«, kommentierte Bergfried.
»Von wo können wir an den Tanker rankommen?« fragte Hintze und strich mit dem Zeigefinger über die Linien.
»Von überall!« antwortete der Einsatzleiter.
»Und wann?«
»Das müssen Sie Petrus fragen.«
»Es ist wirklich
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