Öl-Connection
bin ein ehrbarer Kapitän und kein Vagabund, sagte er sich. Denk an deine Mutter, die dich bei deiner Abreise zur Kadettenschule in Wilhelmshaven weinend an sich zog und sagte:
»Jetzt wirst du die ganze Welt kennenlernen, mein Tolpatsch. Aber die Welt ist schlecht. Auch wenn du einmal viel Geld verdienen solltest – vergiß nicht dein Gewissen. Ohne Gewissen bist du kein Mensch mehr.«
Wie recht sie doch hatte …
Das Gespräch mit Mr. Dussek war geradlinig und offen. In einem der typischen Hochhäuser New Yorks hatte sich die ISC eingekauft, füllte drei Etagen und war mit Panzerglastüren und eigenen uniformierten Wächtern gesichert wie ein Staatsgefängnis. Mr. Jack Dussek hinterließ auf den ersten Blick mehr das Bild eines in der Großstadt fremden Revolverhelden als das eines mit allen Wassern gewaschenen Managers. Er kam Heßbach mit ausgestreckten Armen entgegen, als sei er ein Freund aus Collegezeiten, und führte ihn in sein riesiges Büro, von dem aus man einen herrlichen Blick auf Manhattan hatte. Auf einem runden Tisch mit schwarzgetönter Glasplatte standen zwei Whiskey on the Rocks. Dussek forderte mit einer einladenden Geste auf, in einem der Ledersessel Platz zu nehmen.
»Ich kenne keinen Seemann, der keinen Whiskey trinkt. Nehmen Sie Platz, Mr. Kapitän. Wir freuen uns alle, daß Sie nach New York gekommen sind.«
Zögernd ließ sich Heßbach nieder und zögernd trank er einen kleinen Schluck des wirklich hervorragenden Whiskeys. Die bemühte Freundlichkeit Dusseks machte ihn skeptisch. Der Amerikaner nahm gegenüber Platz und legte eine große blaue Mappe auf den Tisch.
»Sie sind ein hervorragender Kapitän …« setzte Dussek zu einer längeren Rede an. »Das weiß jeder Reeder, und man hat die Reederei Wolffers um Sie beneidet. Nun haben Sie einmal in Ihrem Leben einen dummen Unfall gehabt … Die Überreaktion von Dr. Wolffers ist uns unverständlich.«
»Das haben Sie alles schon am Telefon gesagt«, unterbrach ihn Heßbach.
»Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?« Dussek beugte sich über den Tisch vor.
»Ich werde schon noch ein Kommando übernehmen … irgendwann.«
»Ein abgehalfteter Kapitän ist so gut wie tot. Das wissen Sie genauso wie ich. Es warten genug Erste Offiziere auf eine Möglichkeit, Kapitän zu werden. Und jeder Reeder greift gerne auf sie zurück, wenn er einen neuen Kapitän braucht. Ihre Chancen, wieder ein Schiff zu fahren, sind gering.«
»Ich sehe das nicht so eng, Mr. Dussek«, antwortete Heßbach ärgerlich.
Ich bin ein guter Kapitän, dachte er. Man kennt mich in den Reedereien. Bei keiner Fahrt hat es je Schwierigkeiten gegeben, und tauchte wirklich ein Problem auf, so wurde es stets zu aller Zufriedenheit gelöst. Unter Heßbach zu fahren, so hieß es in den Heuerbüros, ist wie ein militärischer Einsatz. Da gibt es keinen lauen Dienst, keinen Schlendrian, kein heimliches Saufen an Bord, und erst im Hafen und nach Löschen der Ladung heißt es: »Freigang! Macht's gut, Jungs. Und denkt daran: Ein Tripper ist kein Schnupfen!« Warten wir ab – ich sehe meine Zukunft nicht so dunkel wie dieser schleimige Großstadtcowboy Dussek.
»Was wollen Sie von mir?« fragte Heßbach mit Nachdruck, als sei es seine letzte Frage.
»Haben Sie schon mal einen Tanker gefahren?«
»Nein. Die Reederei Wolffers hat nur Stückgutfrachter.«
»Würde es Sie reizen, einen Tanker zu fahren?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich habe keine Erfahrung mit Tankern.«
»Er ist ein Schiff wie jedes andere.« Dussek lächelte Heßbach breit an. »Ist es ein Unterschied, ob Sie einen Cadillac oder einen Mercedes lenken? Rechts ist das Gas, in der Mitte die Bremse, links die Kupplung.«
»Ein naiver Vergleich.« Unwillig nahm Heßbach noch einen Schluck Whiskey. »Ein Tanker. Ohne Erfahrung! Nein. Ich bin bekannt für meine Genauigkeit und meine Korrektheit.«
»Darum sitzen wir uns ja gegenüber.«
»Ich müßte erst an einem kleinen Tanker üben.«
»Im Gegenteil.« Dussek schlug die blaue Mappe vor sich auf. »Sie sollen einen Riesen fahren! Zweihundertvierzig Meter lang mit einer Ladekapazität von 250.000 Tonnen Öl.«
»Ich lehne ab, Mr. Dussek.«
»Kennen Sie die Maringo?«
»Ich habe von ihr gehört. Ein Gigant.«
»Er gehört Ihnen! Sie sind der Kapitän. Ich brauche nur ein Ja von Ihnen.«
Dussek schob Heßbach die offene Mappe mit Fotos über den Tisch. Sie zeigten ein Riesenschiff aus verschiedenen Blickwinkeln, ein Hauptdeck, auf dem man Fahrrad
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