Öl-Connection
die Offiziere bleiben.«
»Von Gran Canaria kommen zwei Transport-Hubschrauber zu Ihnen. Die können Sie von Bord ziehen.«
»Wenn es dann noch was zu ziehen gibt.«
»Sie wollen doch wohl nicht …«
»Ich bin der Kapitän, und mein Schiff braucht mich noch!«
Die Hubschrauber drehten ab. Auf Teneriffa und Gran Canaria und einigen anderen Stationen wurden die Funksprüche abgehört und auf Tonband aufgezeichnet. Sie würden wahrscheinlich als Beweismaterial benötigt werden. Die Schuld lag eindeutig bei dem griechischen Frachter. Aber was bedeutete schon Schuld, wenn die größte Ölkatastrophe aller Zeiten sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ereignete und gleichzeitig die völlige Ohnmacht bewiesen wurde, eine derartige Tragödie zu verhindern.
Auf den Kanarischen Inseln war längst Alarm gegeben worden. Sämtliche Strände waren gesperrt, zu Tausenden standen die Urlauber an den Küsten und starrten über das sonnenglänzende, ruhige, tiefblaue Meer. Und trotzdem gab es eine Menge Touristen, die alles besser wußten und sich sogar beschwerten, daß die Badestrände gesperrt waren. »Ölpest? Wo denn?« opponierten sie. »Ihr spinnt doch!«
»In ein paar Stunden kann sie hier sein!« erklärte ein Polizist der Guardia Civil, die zusammen mit der Ortspolizei und freiwilligen Helfern die Strände bewachten. »Da draußen passiert was!«
»In ein paar Stunden.« Ein dicker Deutscher baute sich vor dem Beamten auf. Sein Kopf war von der Sonne leicht gerötet. »Das ist eine Frechheit! Bis das Öl kommt, können wir doch noch baden!«
Der Mann von der Guardia Civil starrte den Urlauber an. »Sie haben Nerven …« sagte er erschüttert.
»Die euch allen fehlen, darum kommt ihr auch zu nichts!«
Beipflichtendes Gemurmel der Umstehenden. Diese Spanier! Da draußen auf See verliert irgendein Schiff Öl, und die machen sofort eine Staatsaktion daraus. Nicht reden, Leute, handeln … Fahrt raus und pumpt das Öl ab … Einfacher geht's doch nicht. Aber habt ihr überhaupt Pumpschiffe? Natürlich nicht! Viel Geld kassieren, und dann alles dem lieben Gott überlassen. Da fehlt deutsche Organisation.
»Warum pumpt ihr nicht ab?« kam prompt die Frage. Der Beamte hob die Schultern. Er sah um sich, als erwarte er Hilfe gegen diese deutsche Besserwisserei.
»Weil es keinen Sinn hat«, sagte er endlich.
»Wieso?«
»Es können 200.000 Tonnen Öl ausfließen. So viel wie nie! Teneriffa wäre dann tot …«
Betretenes Schweigen umgab ihn plötzlich. Der Dicke mit dem Sonnenbrand schob seinen Leinenhut tiefer in die Stirn.
»Das sind 200.000.000 Liter Öl«, sagte er und blickte wieder über das golden schimmernde Meer und die Schaumkronen in der Brandung. »So etwas gibt es doch nicht!«
Nun schwiegen sie alle und blickten wie der Dicke über den glitzernden Atlantik. Ein Paradies geht unter … und sie standen hier oberhalb des Strandes und würden erleben, wie das Öl alles vernichtete. Und das alles für 986 Mark pro Woche mit Halbpension …
Heßbach blickte hinunter auf Deck. In den ausgeschwenkten Galgen pendelten die Rettungsboote aufs Meer. Die ersten Männer der Crew kletterten an den Strickleitern hinterher und sprangen in die Boote. Erst an der Abdrift der Boote sah man, mit welcher Geschwindigkeit der Tanker nach Backbord hielt. Schneller ging es nicht mehr, und trotzdem war es zu langsam. Heßbach winkte McCracker zu, der zu ihm hinaufschaute. Geh ins Boot, hieß das. Hau ab, James. Ich danke dir. Du hast mir sehr geholfen. Du hast die Mannschaft gut im Griff gehabt; ich weiß nicht, ob mir das gelungen wäre. Und überleg es dir, James: Ein Bassist kann länger singen als ein Tenor. Die Opernhäuser sind noch für dich geöffnet …
McCracker winkte zurück und nickte. Aber er blieb an Deck stehen und kletterte nicht den anderen nach in ein Boot. Als Heßbach wieder hinunterblickte, war er verschwunden. Dafür betrat van Geldern die Brücke, verdreckt, verölt, verrußt und lehnte sich erschöpft an die Wand. »Die Maschinen laufen einwandfrei«, sagte er und röchelte beim Atmen. »Trotz der Risse in den Kurbelwellen …«
»Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr, Chief.« Heßbach sah sich um. Die Gesichter der Männer waren versteinert. »Meine Herren … jetzt sind wir allein. Als letzter der Mannschaft hat Chu Yungan seinen Funkerposten verlassen. Er wollte nicht – ich habe es ihm befohlen! Jetzt sind wir zu viert auf der Maringo … drei zuviel! Bitte, gehen auch Sie in die
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