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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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lassen, dass es sich um Böhmen handelte, aber dies war ein deutsches Wort, und so wie man hierzulande den Hamburger in «Liberty-Steak» und das Sauerkraut ** in «Liberty-Cabbage» umbenannt hatte, wurden die Böhmen zu Tschechoslowaken, ein Wort, das niemand buchstabieren konnte, wenn er es hörte, und niemand aussprechen konnte, wenn er es las. Dieses Volk lehnte sich gegen Deutschland auf, und die Bolschewiken waren übereingekommen, die tschechoslowakischen Kriegsgefangenen nach Wladiwostok zu verlegen, wo die Alliierten sie übernehmen und an die Front bringen sollten, wenn sie es für richtig hielten. Doch auf dem Weg durch Sibirien hatten sich die Tschechoslowaken mit den Bolschewiken und den freigelassenen deutschen Kriegsgefangenen angelegt und einen großen Teil der Eisenbahn in ihre Gewalt gebracht.
    In dieses verrückte Kuddelmuddel sollten nun die Alliierten eingreifen. Die Zeitungen erläuterten den Sachverhalt: Die bolschewistische Bewegung sei ein Aufstand von Fanatikern, dem russischen Volk aufgezwungen mit Hilfe von bewaffneten Söldnern – von Chinesen, Mongolen, Kosaken, entsprungenen Sträflingen und dem üblichen Gesindel; es könne nicht lange dauern, ein paar Wochen, höchstens Monate, man brauche nur eine Anlaufstelle, an der sich die anständigen Russen sammeln konnten. Hierfür wollten nun die Alliierten sorgen; amerikanische und japanische Truppen sollten die Tschechoslowaken in Sibirien unterstützen und amerikanische und britische Truppen die russischen Flüchtlinge in Archangelsk im hohen Norden organisieren. Paul würde entlang der berühmten Transsibirischen Eisenbahn Baracken und YMCA -Hütten 44 bauen und die aufregenden Ereignisse, über die er mit Dad diskutiert hatte, mit eigenen Augen sehen. Bunny ging in ein Ausbildungslager, und vielleicht schickten sie ihn, wenn er fertig war, an dieselbe Front – in diesem speziellen Fall durfte Dad ruhig seine Beziehungen spielen lassen! Bunny wollte hart arbeiten und es weit bringen, vielleicht wurden Paul und seine Zimmerer eines Tages seinem Kommando unterstellt!
    Es fiel ihnen schwer, guter Laune zu bleiben, denn Ruth war völlig untröstlich. Die Tränen rannen ihr über die Wangen, wenn sie umherging, und ab und zu sprang sie auf und lief aus dem Zimmer. Als es für Paul Zeit wurde, sich zu verabschieden, verlor Ruth fast den Verstand, sie schlang ihm die Arme um den Hals, und er sah sich gezwungen, ihr die Hände wegzuziehen. Traurig, wenn ein Mann fortgehen muss, während seine Schwester ohnmächtig im Sessel liegt! Dem alten Mr Watkins blieb nichts übrig, als sie heimzuholen und Sadie zu schicken, damit diese die Hausarbeit für Dad erledigte. Also wirklich, da ging einem auf, was Krieg bedeutete!
    6
    Bunny fuhr zurück nach Beach City und hatte eine ähnliche Prüfung durchzustehen. Großmama weinte nicht und wurde auch nicht ohnmächtig, sie ging einfach in ihr Atelier, sperrte die Tür zu und tauchte nicht wieder auf, nicht einmal zu den Mahlzeiten. Als Bunny reisefertig war, ging er hinauf und klopfte an ihre Tür, und Großmama ließ ihn in ihre Werkstatt voller Ölfarben, Terpentin und erhabener Kunst eintreten. Ihr Gesicht sah verhärmt aus, aber grimmig, nur ihre runzligen, geröteten Lider verrieten sie. «Mein Kleiner», sagte sie – das war er immer noch für sie, er würde nie erwachsen werden –, «mein Kleiner, du bist das Opfer verbrecherischer alter Männer. Heute sagt dir das noch nichts, aber vergiss es nicht; eines Tages, wenn ich schon längst tot bin, wirst du es verstehen.»
    Sie küsste ihn lautlos, und als er hinausschlich, liefen ihm die Tränen über die Wangen, und ihm war zumute, als beginge er selbst ein Verbrechen. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als er eine Woche später ein Telegramm erhielt, in dem stand, Großmutter Ross sei tot in ihrem Bett aufgefunden worden. Er bekam drei Tage Urlaub, um heimzufahren und dem Begräbnis beizuwohnen, dann musste er dem Rest der Familie noch einmal auf Wiedersehen sagen.
    Das Ausbildungslager lag im Süden, wo die Sonne brannte und der Schweiß in Strömen floss. Es wimmelte von jungen Männern aus allen Teilen des Staates, die meisten kamen von der Highschool und vom College, dazu ein paar andere, die die Offizierslaufbahn einschlagen durften, weil sie militärische Erfahrung besaßen. Es waren die Söhne von Winzern und Plantagenbesitzern (Orangen, Walnüsse, Pfirsiche, Pflaumen), von Rinderzüchtern und Holzhändlern, von städtischen

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