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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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anstimmten und die Zuhörer sich wiegten und «Lobet den Herrn!» brüllten, blähte sich schier das Zelt.
    Eli predigte wider die Hunnen. Der Heilige Geist habe ihm geoffenbart, dass der Feind noch vor Jahresende vernichtend geschlagen werden müsse, und er habe all denen, die in dieser Sache für den Herrn stürben, die ewige Seligkeit versprochen – vorausgesetzt natürlich, sie hatten das Angebot, sich von Eli erlösen zu lassen, nicht zurückgewiesen. In der Mitte der Bühne befand sich ein Wasserbecken mit Stufen, und die Bekehrten saßen in weiße Nachthemden gewandet reihenweise auf dem Podium. Wenn die Zeremonie dieses Stadium erreicht hatte, stieg Eli persönlich ins Wasser, packte ein Opfer nach dem anderen am Kragen, zog es im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu sich und tauchte es – platsch! – ins Wasser. Mit dieser Methode wurden die Sünden auch noch vom letzten Körperhaar abgewaschen, und falls sie sich in dem heiligen Wasser eine jener Krankheiten holten, die selbst Kreuzfahrer heimsuchen, wenn sie gesündigt haben – nun, dann brauchten sie ja nur wiederzukommen und sich vom Propheten der Dritten Offenbarung heilen zu lassen.
    Am darauffolgenden Tag fuhr die Familie heim. Wie viel hatten sie da unterwegs und noch Wochen später zu bereden! Bunny freute sich auf diese Art von Lagerleben im Sommer – allerdings würde er wegen des Vorbereitungstrainings in der Schule und dank Dads Beziehungen in ein Ausbildungslager für Offiziere kommen. Hingebungsvoll und pflichtbewusst, arbeitete er fleißiger denn je.
    Ende März begann der längst befürchtete Angriff an der Westfront und damit eine jener Schlachten, an die sich die Welt mittlerweile gewöhnt hatte; die Front erstreckte sich über hundert Meilen, und wochenlang wurde Tag und Nacht gekämpft. Solche Schlachten wurden nicht nach einer Stadt benannt, sondern nach einer Provinz, und dies war die Schlacht in der Picardie. Der deutsche Sturm durchbrach die britischen Linien und trieb sie in wilder Flucht dreißig, vierzig Meilen vor sich her. Sie nahmen hunderttausend Mann gefangen, und es sah so aus, als würden Dads schlimmste Befürchtungen wahr.
    Doch weder die Deutschen noch die Alliierten wussten, dass in einem fernen Dorf inmitten der Obstplantagen Kaliforniens ein mächtiger Prophet seine magischen Kräfte für sie einsetzte. Zufällig hatte Eli Watkins in einer Nachricht von der Front gelesen, dass jetzt nur noch eins die britische Armee retten könne, nämlich Regen, und sogleich scharte er die betenden Massen um sich. Die schaukelten die ganze Nacht lang auf den Knien hin und her, erhoben die Hände zum Herrn und erflehten ein Unwetter in der Picardie. Der Herr erhörte sie, die Schleusen des Himmels öffneten sich, Regen fiel herab, und fürwahr!, die Füße der Hunnen blieben stecken, ebenso die Räder ihrer Streitwagen, und die starken Krieger ertranken im Schlamm. Auf der Seite indes, wo die Heerscharen des Herrn fochten, fiel kein Regen, der Boden blieb trocken, sie sammelten neue Kräfte, die britischen Frontregimenter waren in Sicherheit, und daheim in den kalifornischen Obstgärten ließ das Hosianna der Gläubigen die Blüten von den Pflaumenbäumen rieseln.
    3
    Selbst inmitten solcher Schrecken und Spektakel führte Bunny, weil er jung war, ein Privatleben. Auf dem Heimweg vom Exerzieren begegnete er Nina Goodrich, einer Klassenkameradin, die gerade mit dem Auto um die Ecke bog, nur mit einem Badeanzug und einem Umhang bekleidet. Von solchen Kleinigkeiten hängt nun das Schicksal eines Menschen ab! Sie fuhr langsamer und rief: «Komm mit mir schwimmen!» Er sprang in den Wagen, zwei Minuten später hatte sie ihn schon an den Strand entführt, und nach weiteren fünf hatte er sich eine Badehose geliehen und angezogen, und die beiden rannten um die Wette über den Sand.
    Nina Goodrich war eine üppige Juno 42 , wie sie Kalifornien jedes Jahr tausendfach zur Reife bringt. Ihre Glieder waren stark und stämmig, ihre Hüften und Brüste wie geschaffen dazu, ein Dutzend Kinder zu bekommen und zu nähren. Sie hatte blondes Haar und einen Teint, für den sie keinen Flakon brauchte; die bronzene Tönung ihrer Haut kam von den vielen Stunden in der Brandung und von dem hauchdünnen, einteiligen Badeanzug, wie ihn die Mädchen jetzt trugen und damit beträchtlich mehr als fünfzig Prozent ihrer natürlichen Reize enthüllten. Ein Mann, der sich in Südkalifornien eine Frau nahm, konnte nicht behaupten, er habe

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