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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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nicht gewusst, was er bekommen würde!
    Die beiden schwammen lange parallel zum Ufer und ließen sich von dem kalten Wasser nicht beirren; sie liefen Hand in Hand über den Strand, und als sie zum Badehaus zurückgingen, sagte Nina: «Willst du nicht mit mir zu Abend essen, Bunny? Ich habe keine Lust auf daheim.»
    Also schlüpfte Bunny in seine Sachen, sie fuhren zu ihr nach Hause, und während sie sich umzog, saß er im Auto und büffelte seine nächste Lektion «Englische Dichtung des neunzehnten Jahrhunderts». Der Dichter lenkte die Aufmerksamkeit seines Lesers auf eine Reihe von Naturerscheinungen:
    «Und die Sonn liebkost die Erde,
    Und das Mondlicht küsst das Meer –
    Doch was hilft mir dies Gekose,
    Küsst mich nicht, die ich begehr?» 43
    Sie fuhren in eine Cafeteria, eine neue Art von Lokal, wo kalifornischer Fisch, kalifornisches Obst und kalifornische Salate in verschwenderischer Fülle präsentiert wurden, eine Qual für eine neunzehnjährige Juno, die sich ständig darum bemühte, abzunehmen. Am ungefährlichsten sei noch Sellerie, sagte Nina, der nähme sowohl Zeit wie Raum in Anspruch. Während sie kaute, saßen sie am Fenster und sahen zu, wie die Sonne über dem purpurroten Ozean unterging und sich langsam der Nebel vom Meer hereinstahl. Dann stiegen sie ins Auto, und ohne ein weiteres Wort fuhr Nina aus der Stadt hinaus, die Küstenstraße entlang. Ihre rechte Hand lag in Bunnys linker, und während er die Hohlräume seines Gedächtnisses absuchte, fiel ihm ein, dass er von Eunice gehört hatte, Nina habe eine leidenschaftliche Liebesaffäre mit Barney Lee gehabt, der sich vor einem Jahr freiwillig gemeldet hatte und jetzt in Frankreich war.
    An einer einsamen Stelle hielten sie an, es gab eine Decke im Auto, und bald saßen sie vor der lärmenden Brandung. Nina kuschelte sich an Bunny und flüsterte: «Hast du mich nur ein ganz klein bisschen lieb?» Und als er bejahte, fuhr sie fort: «Warum schmust du dann nicht mit mir?»
    Folgsam machte er sich ans Werk und merkte bald, dass seine Lippen von einem jener endlosen, langsamen Küsse eingesaugt wurden, die auf der Leinwand ein todsicherer Erfolg sind, von den Zensoren aber je nach geografischer Lage zusammengeschnitten werden – in Japan auf null Filmmeter, in Algerien und Argentinien auf zweitausend.
    Es war offensichtlich, dass er mit dieser neunzehnjährigen Juno hier und jetzt machen durfte, was er wollte, und ihm wurde auf die bekannte, beängstigende Weise schwindlig. Er hatte sich den Schmerz um Eunice nie ganz aus dem Herzen reißen können, und hier bot sich endlich Erlösung an! Doch er zögerte, weil er sich geschworen hatte, sich nie mehr auf so etwas einzulassen. Außerdem hatte er bei den englischen Dichtern noch eine andere Art von Liebe kennengelernt. Er wusste, dass er Nina Goodrich nicht wirklich liebte, im Grunde war sie eine Fremde für ihn, deshalb zögerte er, seine Küsse verloren an Glut, und sie flüsterte: «Was ist los, Bunny?»
    Er war unsicher, doch dann kam ihm plötzlich eine Idee. «Nina», sagte er, «das ist eigentlich unfair.»
    «Wieso?»
    «Wegen Barney.»
    Er spürte, wie sie in seinen Armen zusammenzuckte. «Aber Barney ist fort, mein Lieber.»
    «Ich weiß, aber er wird zurückkommen.»
    «Ja, aber da ist noch lang hin, und bestimmt hat er schon ein Mädchen in Frankreich.»
    «Möglich. Sicher weiß man’s nicht. Und mir scheint es nicht recht, wenn ein Mann für sein Land sein Leben riskiert, dass ihm unterdessen ein anderer sein Mädchen wegschnappt.»
    Und so begann Bunny, über die Front zu sprechen, was dort geschah, wie bald die Amerikaner mitmachen würden, und dass er damit rechne, gleich nach dem Schulabschluss zum Militär zu gehen; er sprach von Paul, was der von Russland hielt, und was Dad von Paul hielt, und die junge Juno blieb die ganze Zeit in seinen Armen, aber mit einer zunehmend schwesterlichen Zärtlichkeit, bis schließlich der Nebel sogar ihr junges Blut abkühlte und sie aufstanden, um zu gehen.
    Die neunzehnjährige Juno umarmte ihren Begleiter, gab ihm einen besonders ungestümen Kuss und sagte: «Bunny, du bist ein komischer Kerl, aber ich hab dich furchtbar gern!»
    4
    Die Deutschen unternahmen einen weiteren massiven Vorstoß gegen die Briten, und diesmal hieß er «Die Schlacht von Flandern». Sie rissen ein großes Loch in die britische Front, und wenn nicht sechs Tage lang Arbeiter, Fahrer und alle möglichen anderen Männer in der Etappe standgehalten hätten, jeder in

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