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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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einem Loch versteckt und mit der nächstbesten Waffe um sein Leben kämpfend, hätten die Deutschen das gesamte Eisenbahnnetz in Flandern eingenommen. Etwa einen Monat später gab es eine weitere Offensive, diesmal im Süden gegen die Franzosen, die Schlacht an der Aisne; es sah aus, als sei Paris dem Untergang geweiht, und die Menschen in Amerika lasen die Nachrichten in den Zeitungen mit angehaltenem Atem.
    Während dieser Schlacht, deren Front sich über fast zweihundert Meilen erstreckte, geschah etwas Bahnbrechendes: Der stark unter Druck stehende französische Befehlshaber setzte die ersten neu eingetroffenen amerikanischen Truppen ein. Die Jungs hatten nur ein paar Monate Ausbildung hinter sich, und die Franzosen dachten, sie würden nicht lange standhalten, doch statt zurückzuweichen wie die anderen Heere, versetzten sie der deutschen Linie einen Schlag und drangen auf einer Breite von mehr als drei Meilen einige Meilen weit auf feindliches Gebiet vor. Also wurden rasch mehr von ihnen herbeigeschafft, ein paar Tage später kam es zur Schlacht im Wald von Belleau, und ganz Amerika jubelte euphorisch. Es war kein Nationalstolz, sondern mehr als das – die Menschen spürten, es war ein Sieg der freien Gesellschaftsordnung. Wenn man die Listen der Gefallenen und Verwundeten in diesen Schlachten durchging, fand man Namen wie Horowitz und Schnierov, Samerjian und Samaniego, Constantinopulos, Toplitsky und Quong Ling; doch sie alle fochten ohne Unterschied, und es war ein Sieg für die goldene Flut von Beredsamkeit, die sich aus dem Weißen Haus ergoss.
    Mitten in diese Aufregung fiel Bunnys Schulabschluss, und er musste sich nun entscheiden. Er führte mit seinem Vater das ernsthafteste Gespräch seines Lebens, Bunny hatte den alten Mann noch nie so tiefbewegt erlebt.
    Dad fragte: «Wäre es denn so undenkbar für dich, mein Junge, hierzubleiben und mir bei dieser Arbeit zu helfen?»
    Und Bunny antwortete: «Dad, wenn ich jetzt nicht zur Army gehe, habe ich für den Rest meines Lebens das Gefühl, unrecht gehandelt zu haben.»
    Dad erläuterte, was dies für ihn bedeutete. Er war nicht mehr imstande, diese Last allein zu tragen. Es mussten immer mehr Bohrlöcher werden, und jedes einzelne bedeutete zusätzliche Sorge. Sie brauchten einfach eine große Raffinerie und damit auch eine Tankstellenkette, man konnte nicht ewig mit Regierungsaufträgen rechnen. Das Paradise-Gelände gehörte Bunny, aber wenn er es aufgeben wollte, nun ja, dann musste Dad mit einem der Großen verhandeln, der schon wegen einer Fusion bei ihm auf den Busch geklopft hatte. Wenn Bunny zum Militär ging, hatte es keinen Sinn, mit ihm zu rechnen, denn der Krieg war bestimmt noch lange nicht zu Ende. «Von denen, die jetzt gehen, kommen viele nicht zurück», so drückte Dad es aus, seine Stimme bebte, es fehlte nicht viel, und sie hätten beide ihre Taschentücher rausziehen müssen, was beiden gleichermaßen peinlich gewesen wäre.
    Bunny konnte nur immer wiederholen: «Ich muss einfach gehen, Dad, ich muss einfach gehen.»
    Dad gab sich geschlagen, und ein paar Wochen später bekam Bunny den Bescheid, er solle sich in seinem Ausbildungslager melden. Tante Emma überschwemmte ihn mit Tränen, während Großmama ihre welken, alten Lippen über dem schlecht sitzenden Gebiss zusammenkniff und sagte, es sei ein Verbrechen, ihr sei die Lust am Leben vergangen. Bertie traf Vorkehrungen für eine Abschiedsparty, und Dad berichtete, dass er Verhandlungen mit Vernon Roscoe aufgenommen habe, dem wichtigsten unabhängigen Ölunternehmer an der Küste, Präsident von Flora-Mex und Mid-Central Pete, der schon wiederholte Male auf ein mögliches Riesenunternehmen namens «Ross Consolidated» zu sprechen gekommen sei.
    5
    Sie fuhren nach Paradise, damit Bunny einen Abschiedsblick auf alles werfen konnte, und dort erfuhren sie, dass Paul zu einem Heimaturlaub erwartet wurde, letzte Station vor seiner Fahrt über den pazifischen Ozean. Dieser Krieg sei wie ein Feuer in einem «Tanklager», meinte Dad, man wisse nie, was wo als Nächstes explodiere. Nun müsse also Paul mit seiner Zimmerertruppe auf ein Schiff und werde ausgerechnet nach Wladiwostok in Sibirien verfrachtet!
    Als die Bolschewiken in Russland die Macht übernahmen, hatten sie offenbar auch ein riesiges Heer von Kriegsgefangenen vorgefunden, darunter etwa hunderttausend Tschechoslowaken. Das war ein neuer Name. Wenn man ihn im Lexikon nachschlug, fand man ihn nicht und musste sich erklären

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