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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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sich, auf diesen sturmgepeitschten Ozean aus Menschen – wild fuchtelnde Hände, geballte Fäuste, erregt hochfahrende Köpfe, und er wusste, was das bedeutete, ihm konnte niemand was vormachen. Als dann gleich darauf die Menge bei dem Namen «Lenin» in Jubel ausbrach, bejubelten sie nicht die Taten des russischen Lenin, sondern die eines künftigen amerikanischen Lenin. «Hände weg von Russland!» war reine Tarnung; sie meinten: «Schnappt euch Ross Consolidated!»
    Da warf Dad aus dem Augenwinkel einen verstohlenen Blick auf seinen Sohn. Offenbar empfand Bunny kein bisschen von der Angst seines Vaters. Bunny sah aus wie der restliche Mob, sein Gesicht glühte vor Aufregung. Bunny schrie «Hände weg von Russland!», also entweder wusste er nicht, was dieser Mob mit Ross Consolidated vorhatte, oder – noch schlimmer – es war ihm egal!
    8
    Die kleine Gruppe der «Roten» aus der Universität hatte Seagers Versammlung besucht und war am nächsten Tag noch wie elektrisiert. Die meisten von Bunnys Verbindungsbrüdern hatten sich geweigert hinzugehen, und jetzt wollten sie Ideen kritisieren, die sie gar nicht gehört hatten. Bunny kochte, als er sie so reden hörte. All dieser Blödsinn von der Vergesellschaftung der Frauen, diese frisierten Zahlen über die Millionen Opfer des Bolschewismus! Es war eine Schande für eine Universität, dass solcher Humbug als Wissen durchging und niemand sich die Mühe machte, zu widersprechen. Bunny äußerte diesen Gedanken gegenüber Peter Nagle, und Peter ging heim, sprach mit seinem Vater, kam wieder und verkündete, er sei bereit, als Herausgeber einer Studentenzeitung zu fungieren, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.
    Die Verschwörer hielten eine weitere Versammlung ab, dreißig Dollar waren rasch gezeichnet, und per Abstimmung wurde beschlossen, ein vierseitiges Wochenblättchen mit dem Titel «The Investigator» herauszugeben, das zu allen möglichen Themen die Wahrheit verkünden sollte. Sie kamen überein, dass man sich der russischen Frage am besten über Harry Seager näherte, da er ein angesehener YMCA -Mitarbeiter gewesen war. Rachel Menzies wurde gebeten, ein Gespräch mit Mr Seager zu führen und darüber einen Artikel mit zweitausend Wörtern zu schreiben. Ein anderer junger Rebell sollte Tatsachen und Gerüchte rund um die heimlichen Zahlungen aus einem Ehemaligenfonds zusammentragen, mit denen man vielversprechende Athleten an die Southern Pacific holte. Bunny als gesellschaftliche Galionsfigur des Häufchens bekam das Thema «Akademikerdünkel» zugeteilt, und der Anlass war, dass ein indischer Student mit hervorragenden wissenschaftlichen Zensuren nicht in den Literaturkreis aufgenommen worden war.
    Dann brachte Peter Nagle sein Lieblingsthema in Form eines zahmen Spottgedichts auf Gott zur Sprache. Einige bezweifelten, ob es klug sei, das Thema Religion mit hereinzunehmen, aber Peter machte seine Vorrechte als Herausgeber geltend; entweder sei er Redakteur oder er sei’s nicht, und wenn ja, bekenne er sich zu der russischen Formel «Religion ist Opium fürs Volk» 65 . Billy George stärkte ihm den Rücken und bestand darauf, dass die neue Zeitung das ganze Spektrum an fortschrittlichem Gedankengut erfassen solle.
    «The Investigator» wurde also geschrieben, redigiert, gesetzt, auf Fahnen gedruckt, auf ein Blindmuster geklebt, dann noch mal auseinandergeschnitten und andersrum zusammengeklebt. Zu guter Letzt wurde es gedruckt; da lagen die Blätter, frisch aus der Druckerpresse, weich und feucht wie eben erst geschlüpfte Heuschrecken. Am nächsten Tag würden sie trocken sein, und bis dahin – psst! – kein Wort!
    Wie sollte die Zeitung unter die Leute gebracht werden? Darüber wurde lange diskutiert. Bunny der Edelmütige wollte sie verschenken. Doch Rachels Vater, der Schneider, der nebenher Pressebeauftragter der sozialistischen Partei in Angel City war, ließ ihnen ausrichten, Zeitungen müssten verkauft werden, sonst hätten die Leute keinen Respekt davor. «Wenn sie gutes Geld dafür hinlegen, lesen sie sie auch», meinte Papa Menzies mit typisch jüdischer Sachkenntnis, und seine Tochter fügte mit typisch sozialistischem Furor hinzu: «Wenn wir wirklich an unsere Sache glauben, macht uns ein wenig Spott nichts aus.» Es war ein Aufruf zum Martyrium, und einer nach dem andern folgte ihm, wenn auch nicht ohne Bedenken.
    Am nächsten Morgen pünktlich um halb neun bot sich der Studentenschaft der Southern Pacific University auf dem Campus vor der

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