Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
darauf hätten gelautet: «Filmstar trennt sich von Spitzensportler» oder «Industriellengattin brennt mit Polizist durch».
    Doch das Schicksal hatte für die Salonbolschewiken der Southern Pacific University eine ausgesucht absurde Pein auf Lager. Am Morgen nach Erscheinen ihres Blättchens fuhr zufällig ein Lastwagen mit Sprengstoff durch die Wall Street, wie immer unter Missachtung städtischer Verkehrsvorschriften, stieß mit einem anderen Wagen zusammen und explodierte. Der Unfall ereignete sich vor dem Bankhaus Morgan & Co., dabei kamen rund ein Dutzend Personen ums Leben. Schon wenige Minuten später erteilten die Bankiers Amerikas Oberschnüffler den Auftrag, diesen rätselhaften Vorfall aufzuklären; der geschäftstüchtige Mann erkannte sofort, dass das Vorkommnis als Unfall gar nichts wert war, als bolschewistische Verschwörung hingegen einige hunderttausend Dollar, und er brauchte keine drei Minuten, um sich umzusehen und zu verkünden, es handle sich um eine Verschwörung.
    Unverzüglich machte sich auf der ganzen Welt eine Horde von Spionen und Spitzeln ans Werk, wohl wissend, wenn er oder sie eine Spur fand oder erfand, bedeutete dies für ihn oder sie Ruhm und Reichtum. Eine Woge von Hexenjägern schwappte über unser Land und über andere Länder; noch zwei, drei Jahre später wurden immer neue Entdeckungen gemacht und neue «Enthüllungen» in Aussicht gestellt, und solange eifrige Zeitungsleser in New York, Chicago und Angel City begierig auf den in Aussicht gestellten Nervenkitzel warteten, mussten sich arme Teufel in polnischen und rumänischen Kerkern die Arme auskugeln und die Hoden weich klopfen lassen.
    Der «Evening Booster», der «Evening Howler» und der «Evening Roarer» in Angel City standen nun vor folgender Situation: Wenn sie die bolschewistische Verschwörung an der Southern Pacific University mit der Bombenexplosion in der Wall Street in Verbindung bringen konnten, bedeutete das Mehrauflagen im Wert von etlichen hundert Dollar, falls ihnen diese Verbindung nicht gelang, verloren sie diese Summe an einen gewitzteren Konkurrenten. Angesichts dieser Tatsache dauerte es keine Stunde, bis dem «Evening Howler» einfiel, dass der «Investigator» Harry Seager porträtiert hatte, und er durch rührige Mitglieder des Amerikanischen Heimatschutzes herausfinden ließ, dass dieser Seager kürzlich auf einer Massenkundgebung die Firma Morgan & Co. heftig angegriffen und ihr ein unheilvolles Schicksal prophezeit hatte. So tat der «Evening Howler» in seiner dritten Ausgabe, Auslieferung gegen ein Uhr, aller Welt kund:
    BOMBE
    VON ROTEM HANDLANGER ANGEKÜNDIGT
    Polizei sucht Sowjetagenten hier
    Damit ging er ein Risiko ein, wie der Schlagzeilentexter des «Evening Howler» grinsend zugegeben hätte; aber er verstand sich auf sein Geschäft, und tatsächlich kam, ehe der Tag um war, ein Kriegsveteran ins Redaktionsbüro und bestätigte diese Behauptung. Vor zwei Tagen sei er zufällig mit Harry Saeger im selben Bus gefahren und mit ihm ins Gespräch gekommen, dabei sei der Satz gefallen: «Merk dir meine Worte, schau in die Zeitung, in drei Tagen wirst du lesen, dass das Haus Morgan für seine Kriegsverbrechen bezahlt hat.» Fairerweise sollten wir hinzufügen, dass der an einer Kriegsneurose leidende Soldat wahrscheinlich selbst glaubte, die Wahrheit zu sagen, denn die beiden Männer hatten in ihrem Gespräch die polnische Invasion in Russland angesprochen, die gerade auf ihrem Höhepunkt angelangt war, und Seager hatte den Satz von sich gegeben: «Merk dir meine Worte, schau in die Zeitung, in drei Tagen wirst du lesen, dass die Polen wieder da sind, wo sie jetzt stehen.»
    Schon vor diesem Zwischenfall war die Bürotür des Seager-Kollegs durch die Meißel von Kriminalbeamten und anderen Patrioten, die sich nachts hatten Zugang verschaffen wollen, zu einer schartigen Kante zernagt worden; doch in der Nacht nach der «Bomben-Enthüllung» nahmen sie eine Axt, und als Seager am nächsten Morgen kam, lagen sämtliche Schreibtischschubladen, nicht nur die seinen, sondern auch die seiner Schüler, ausgekippt am Boden, zertrampelt von den Nagelschuhen des Patriotismus. Sie hatten nicht nur Seagers Unterrichtsnotizen fortgeschleppt, sondern auch die Schreibmaschinenübungen seiner Zöglinge – und lieferten damit einen erdrückenden Beweis, denn Seager ließ die jungen Leute nicht schreiben: «Der flinke braune Fuchs springt über den faulen Hund», nein, weit gefehlt, er diktierte ihnen

Weitere Kostenlose Bücher