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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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gereichte einem Studenten im vorletzten Jahr und Mann von Welt an einer vornehmen Universität nicht zur Ehre. Bunny wusste das und geriet in Panik. Sie würde es nicht verstehen, sie würde ärgerlich werden und ihn fortschicken!
    Aber nein, sie wurde nicht ärgerlich, und aus irgendeinem Grund verstand sie ihn. In einem alten Sprichwort heißt es, vor der Gabel seien die Finger erschaffen worden, und gleichermaßen trifft zu, dass es lange vor der Sprache Umarmungen gegeben hat. Bunny merkte, dass seine Liebkosung erwidert wurde – und zwar von zwei starken Armen, die fähig waren, ein Mädchen kopfüber zu halten und in die Brandung zu tragen. Es war alles gut! «O Vee!», flüsterte er. «Du magst mich also?» Ihre Lippen begegneten den seinen, und ineinander verschlungen standen sie im Mondlicht, während die Orgelmusik zu einem Getöse anschwoll.
    «Vee, ich habe solche Angst gehabt!»
    Sie lachte. «Du dummer Junge!» Doch plötzlich wandte sie den Kopf ab.
    «Bunny, ich möchte mit dir reden. Es gibt etwas, was ich dir sagen muss. Lass mich los und setz dich bitte – nein, in diesen Stuhl da drüben. Ich möchte, dass wir in Ruhe miteinander reden.»
    Es lag etwas Ängstliches in ihrer Stimme, und er tat, worum sie ihn gebeten hatte. «Was ist, Vee?»
    «Ich will, dass wir vernünftig bleiben und wissen, was wir tun. Kaum jemand, den ich kenne, scheint imstande, in der Liebe Glück zu finden, und ich habe bei Gott geschworen, dass ich mich nie mehr verliebe.»
    «Dann musst du dir einen neuen Gott suchen!» Bunny hatte die Sprache wiedergefunden.
    «Ich will, dass wir geloben, glücklich zu sein! Sobald wir nicht mehr glücklich sind, wollen wir auseinandergehen, und zwar ohne Theater! Lass uns vernünftig bleiben. Wir wollen uns nicht vor Eifersucht verrückt machen und uns gegenseitig quälen.»
    «Du bedeutest mir sehr viel», erklärte Bunny. «Ich werde dich bestimmt nicht eifersüchtig machen!»
    «Du weißt nicht, was du tun wirst! Niemand weiß das! Da hat der Teufel seine Finger im Spiel, du ahnst ja nicht, was ich schon erlebt habe, Bunny! Gegen mich bist du der reinste Waisenknabe!»
    «Dann bist du sicher so gütig und adoptierst mich!»
    «Woher weißt du, was ich tue? Woher weißt du überhaupt etwas über mich? Du willst mich haben, ohne zu wissen, was ich bin oder was ich tun werde! Ich hätte dir tausend Lügen auftischen können, und du hättest es nicht gemerkt. Und die nächste Frau, die daherkommt, erzählt dir tausendundeine Lüge, und du wirst auch das nicht merken!»
    «O doch, Vee, ganz einfach – du wirst es mir sagen!»
    Er sank vor ihr auf die Knie und griff nach ihrer Hand, um sie zu beschwichtigen, aber sie schob ihn weg. «Nein, das will ich nicht. Ich will, dass du über meine Worte nachdenkst. Ich möchte, dass wir beide einen kühlen Kopf bewahren.»
    «Mir wird’s aber eher heiß», protestierte Bunny lachend, «wenn du mir von den Vamps in Hollywood erzählst.»
    «Bunny, ein Mann und eine Frau sollten einander die Wahrheit sagen – immer. So weit sollten sie einander vertrauen, ganz gleich, wie weh es tut. Habe ich recht?»
    «Aber sicher.»
    «Wenn das dazu führt, dass sie einander aufgeben, ist es auch in Ordnung – aber sie haben kein Recht, den anderen durch Lügen an sich zu fesseln. Lässt du dich auf dieses Abkommen ein, Bunny?»
    «Ja.»
    «Und du sollst wissen, dass ich nichts von deinem Geld will.»
    «Ich habe kein Geld, Vee, alles gehört Dad. Das ist die erste schmerzliche Wahrheit.»
    «Ich brauche es nicht. Ich habe mein eigenes, und ich sorge für mich selbst. Ich habe einen Beruf, du wirst einen haben, wir lassen einander in Ruhe und sehen uns, wenn es uns beide glücklich macht.»
    «Das ist zu einfach für einen Mann, Vee!»
    «Es ist ein Spiel, so lauten die Regeln, und wenn wir sie verletzen, ist das gemogelt.»
    Bunny konnte ihr versichern, dass er noch nie bei einem Spiel gemogelt hatte und auch bei diesem nicht mogeln werde. So zerstreute er ihre Bedenken, und sie lag wieder in seinen Armen. Sie tauschten jene atemberaubenden Küsse, von denen man eine Zeit lang nicht genug bekommen kann. Dann flüsterte sie: «Es könnte uns jemand hier draußen sehen, Bunny. Ich gehe jetzt hinein und tanze ein bisschen, dann entschuldige ich mich und ziehe mich zurück, und du kommst in mein Zimmer.»
    6
    Hatte jemand sie im Mondlicht gesehen? Oder hatte Vee Annabelle das Geheimnis zugeflüstert? Oder strahlte nur das Licht des Glücks aus den Augen des

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