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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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in Paradise und im Kloster erfuhr. Dies war ein Vielfaches der offiziell abgerechneten Summe, da das Geld auch lokale und nichtamtliche Instanzen durchlief. Es kam von den Großen, die Interessen zu wahren hatten, den Aktiengesellschaften und Banken, also all denen, die etwas von der Regierung erwarteten oder von Politikern ausgenommen werden konnten. Dieses Verfahren nannte man «schröpfen». Die Ölmänner, die fette Beute gemacht hatten, waren natürlich ein beliebtes Ziel für sämtliche Wahlkampfausschüsse des Bezirks, des Staates und des Bundes. Dad und Mr Roscoe wurden von Jake Coffey und den Bossen der Staatsmaschinerie aufgesucht und bekamen haarsträubende Geschichten über die bedrohliche Lage zu hören.
    Das amerikanische Volk musste unbedingt zu der Einsicht gebracht werden, dass die demokratische Regierung der letzten acht Jahre verschwenderisch und korrupt, ahnungslos und dumm gewesen war – eine ziemlich einfache Aufgabe. Aber ebenso unbedingt musste ihm eingeredet werden, dass eine Regierung unter Senator Harding wahrscheinlich eine bessere sein würde – und diese Aufgabe war nicht so einfach. Natürlich versuchten die Vorsitzenden der Wahlkampfausschüsse, sie so mühevoll wie möglich darzustellen, denn je mehr Geld durch ihre Hände floss, desto mehr blieb an ihnen kleben. Als sich der Wahlkampf seinem Ende näherte, hörte Bunny mit Genugtuung, wie sein Vater abscheuliche Flüche ausstieß und sich wünschte, er hätte auf den Rat seines Sohnes gehört und die Geschicke des Landes jenen Seifensiedern überlassen, die die Millionen für General Wood aufgebracht hatten!
    Der Senator aus Ohio war eine stattliche, imposante, würdevolle Person, und er führte einen Verandawahlkampf, wie die Zeitungen das nannten. Das heißt, er machte sich nicht die Mühe, mit dem Zug zu reisen und die Menschen aufzusuchen, sondern empfing Abordnungen der Futtermittelhändler aus Duluth oder der Leichenbestatter aus Ossawotomie bei sich zu Hause. Die saßen dann auf Klappstühlen auf seinem Rasen, und der Politiker trat auf und verlas eine eindrucksvolle Rede, die ein von Vernon Roscoe ausgewählter Sekretär verfasst und tags zuvor an alle Presseagenturen verteilt hatte, sodass sie telegrafisch verbreitet werden und auf fünfzig Millionen Titelseiten gleichzeitig erscheinen konnte. Dahinter steckte eine gewaltige Propagandamaschinerie, welche die Männer, die sie bedienten, viel Schlaf kostete. Nur der majestätische Kandidat war nie unausgeschlafen, sondern stets frisch, heiter und gelassen. So war er schon sein ganzes Berufsleben gewesen, denn die tüchtigen Geschäftsleute, die ihn groß gemacht hatten und seine Karriere finanzierten, sagten ihm immer, was er zu tun hatte.
    Bunny weilte nun in olympischen Höhen und blickte auf das Treiben der armseligen Sterblichen herab wie ein Gott. Dad und Mr Roscoe ließen ihn bei allen Besprechungen zuhören; sie waren überzeugt, dass am Ende der gesunde Menschenverstand siegen und er sich ihren Standpunkt zu eigen machen werde. Ihre Weltanschauung schützte sie wie ein Kettenhemd gegen alles Zaudern und Zweifeln. Das Land musste von den Männern gelenkt werden, die das Geld, den Grips und die Erfahrung dazu hatten; und da die Masse nicht verständig genug war, ihnen diese Macht freiwillig zu erteilen, musste die Masse beschwatzt werden. Slogans mussten erdacht und den Menschen millionen-, ja milliardenfach eingehämmert werden. Das war eine Kunst, dafür gab es Fachleute, die man bezahlte – aber zu einem Preis, Herrgott noch mal, der einen Blut und Wasser schwitzen ließ!
    Der gewaltige Wahlkampf ging zu Ende, und es zeigte sich, dass 16 140 585 Amerikaner erfolgreich beschwatzt worden waren. Senator Harding hatte sieben Millionen Stimmen mehr als der demokratische Kandidat, die größte Stimmenmehrheit in der amerikanischen Geschichte. Auf den Straßen jubelten die Massen, und in den Nobelrestaurants und -klubs, wo die Reichen feierten, waren alle stockbetrunken. Ja, sogar Vernon Roscoe war betrunken, denn Annabelle war ihrerseits viel zu betrunken, um ihm Einhalt zu gebieten. Vee Tracy setzte sich über die Vorschriften ihres Arztes hinweg, Dad vergaß seine guten Vorsätze, und sogar Bunny trank so viel, dass er um seinen Idealismus fürchtete. Der Mensch ist ein Herdentier, und es fällt ihm schwer, nicht zu tun, was alle anderen tun!
    2
    Weihnachten kam, und die Wachteln riefen von den Hügeln um Paradise. Auf dem Gelände selbst waren nicht mehr viele, aber

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