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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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werde sich womöglich erkälten in ihrem hübschen Abendkleid, und schloss deshalb die Tür; und vor lauter Entzücken über seine liebenswürdigen aristokratischen Manieren fiel der Gastgeberin gar nicht auf, dass er nicht wieder zusperrte. Er stellte das leere Glas auf die Abtropffläche des Spülbeckens zurück, lehnte ein weiteres dankend ab und folgte Mrs Groarty zurück in das überfüllte Wohnzimmer.
    «Ich will nur sagen …» Das war die Stimme von Mr Sahm, dem Stuckateur. «Wenn Sie den Vertrag wirklich so unterschreiben wollen, wie er war, unterschreiben Sie ihn so, wie wir alle ihn aufgefasst haben; berechnen wir das Land, das wir besitzen, und nicht die Straßen, die wir nicht besitzen.»
    «Mit anderen Worten», antwortete Mrs Walter Black spöttisch, «ändern wir den Vertrag!»
    «Mit anderen Worten», sagte Miss Snypp noch spöttischer, «tappen wir nicht in die Falle, die uns die großen Parzellen gestellt haben!»
    8
    Es war zu erwarten gewesen, dass ein Dreizehnjähriger einen solchen Streit langweilig finden würde; also achtete niemand sonderlich darauf, als J. Arnold Ross junior zur Haustür ging und nach draußen verschwand. Er kam gerade an der Hintertür an, als Paul Watkins sie leise hinter sich schloss.
    «Danke», flüsterte dieser und schlich zum Holzschuppen, dicht gefolgt von Bunny. Pauls erster Satz, schon mit vollem Mund, lautete: «Ich hab mir eine Scheibe Schinken und zwei Scheiben Brot geholt und ein Stück Kuchen.»
    «Ich glaube, das ist schon in Ordnung», sagte Bunny verständnisvoll. Er wartete, und eine Weile war nichts zu hören als das Kauen eines hungrigen Geschöpfs. Der Fremde war nur ein Schatten mit einer Stimme, doch draußen im Sternenlicht hatte Bunny gesehen, dass der Schatten dünn war und einen Kopf größer als er.
    «Mann, Hunger ist was Schlimmes», sagte die Stimme da schließlich. «Willst du was abhaben?»
    «Nein danke, ich habe schon zu Abend gegessen», antwortete Bunny, «und später soll ich nichts mehr essen.»
    Der andere kaute weiter, und Bunny fand es geheimnisvoll und romantisch; das da in der Dunkelheit hätte auch ein hungriger Wolf sein können! Sie saßen auf Kisten, und als die Kaugeräusche aufhörten, fragte Bunny: «Wieso bist du von zu Hause weggelaufen?»
    Der andere antwortete mit einer verwirrenden Gegenfrage: «Zu welcher Kirche gehörst du?»
    «Wie meinst du das?», entgegnete Bunny.
    «Weißt du nicht, was es heißt, zu einer Kirche zu gehören?»
    «Na ja, meine Großmutter nimmt mich manchmal zu den Baptisten mit, und meine Mutter, wenn ich sie besuche, zu den Episkopalen. 6 Aber ich weiß nicht, ob ich zu einer gehöre.»
    «Menschenskind!», sagte Paul, offensichtlich tief beeindruckt. «Heißt das, dein Vater verlangt nicht, dass du in eine bestimmte Kirche gehst?»
    «Ach, Dad glaubt nicht recht an solche Sachen.»
    «Mann! Und du hast keine Angst?»
    «Angst? Vor was?»
    «Na ja, vor Feuer und Schwefel in der Hölle. Davor, dass der Teufel deine Seele holt.»
    «Nein, darüber hab ich noch nie nachgedacht.»
    «Menschenskind, so ein komischer Zufall! Ich hab nämlich grad den Vorsatz gefasst, zur Hölle zu fahren und mich einen Dreck drum zu scheren. Fluchst du?»
    «Nicht sehr oft.»
    «Ich hab nämlich Gott verflucht.»
    «Wie denn das?»
    «Tja, ich hab gesagt: Gottverdammt! Ich hab’s ein halbes Dutzend Mal gesagt und fest damit gerechnet, dass mich der Blitz erschlägt. Ich hab gesagt: Ich glaub an nix mehr und werd nie mehr an was glauben, und ich scher mich einen Dreck drum.»
    «Aber wenn du an nichts glaubst, vor was solltest du dann Angst haben?» Bunnys Gehirn arbeitete immer logisch.
    «Na ja, ich hab eben nicht so recht gewusst, ob ich glaub oder nicht. Ich weiß es immer noch nicht. Mir war so, als käm ich mit meinem armseligen schwachen Willen nicht gegen den Ewiglichen Fels 7 an. Ich weiß nicht, ob’s schon mal einen solchen Sünder gegeben hat wie mich. Pap sagt, ich bin der gottloseste Bengel aller Zeiten.»
    «Pap ist dein Vater?»
    «Ja.»
    «An was glaubt der?»
    «An die alte Religion. Das Vierfache Evangelium 8 heißt das. Es ist die Apostolische Kirche, und sie springen.»
    «Springen?»
    «Der Heilige Geist kommt auf sie runter, verstehst du, und bringt sie zum Springen. Manchmal wälzen sie sich auch am Boden, und manchmal spricht einer in Zungen.»
    «Was ist das denn?»
    «Na ja, er macht so Geräusche, schnell, wie wenn er in einer andern Sprache reden würd, und vielleicht ist es sogar eine

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