Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
Vom Netzwerk:
plötzlich von einer flüsternden Stimme aufgeschreckt wurde, die aus der Dunkelheit kam, anscheinend direkt neben ihm: «He, du!»
    Bunny lugte um die Fensterkante und sah eine Gestalt, die sich gegen die Hauswand presste. «He, du», sagte das Wispern wieder. «Hör zu, aber niemand soll merken, dass du was hörst. Sie dürfen nicht wissen, dass ich da bin.»
    Bunnys erster Gedanke war: «Ein Spion! Er versucht, etwas über den Vertrag rauszufinden!» Also spitzte er die Ohren und lauschte dem stetigen, beharrlichen Gewisper, eindringlich und anrührend.
    «He, du! Ich heiß Paul Watkins, und die Frau, die hier wohnt, ist meine Tante. Sie darf nicht wissen, dass ich hier bin, weißt du, sonst schickt sie mich heim. Ich wohn auf einer Ranch oben in San Elido, und ich bin von daheim abgehauen, weil ich’s nicht mehr ausgehalten hab. Ich brauch Arbeit, aber vorher brauch ich was zu essen, weil ich fast umkomm vor Hunger. Meine Tante würd mir bestimmt was abgeben, aus alter Freundschaft, aber danach würd sie mich heimschicken, und das überleb ich nicht. Deshalb will ich mir aus der Küche was zum Essen holen. Wenn ich erst mal Geld verdien, schick ich ihr was, also borg ich mir das Essen nur aus, verstehst du. Du müsstest mir bloß die Küchentür aufsperren. Ich nehm mir grad mal ein Stück Kuchen und vielleicht noch ein Sandwich oder sowas. Du brauchst nix weiter tun wie meine Tante fragen, ob du in die Küche darfst und dir einen Schluck Wasser holen, dann drehst du den Schlüssel in der Tür um und gehst wieder zurück. Wenn du magst, kannst du vorn aus der Haustür rausgehen und zu mir hinterkommen und kontrollieren, ob alles so ist, wie ich gesagt hab. Bitte, lass mich nicht hängen! Ich steck in der Klemme, es ist wirklich bitter, wenn man den ganzen Tag nix zu essen kriegt, ich bin per Anhalter gefahren und weit gelaufen und fix und fertig. Komm raus, dann erzähl ich’s dir, aber versuch nicht, jetzt mit mir zu reden, weil dann sehen sie, wie du deine Lippen bewegst, und dann merken sie, dass jemand hier draußen ist.»
    Bunny überlegte schnell. Es war eine moralisch heikle Frage. Hatte er das Recht, anderer Leute Hintertür aufzusperren, sodass ein potenzieller Dieb hereinkommen konnte? Allerdings war es kein richtiger Dieb, wenn es sich um seine Tante handelte und sie ihm sowieso etwas geben würde. Aber woher wollte er wissen, dass die Geschichte wahr war? Gut, er konnte rausgehen, wie der Bursche gesagt hatte, und ihn sich schnappen, wenn es ein Dieb war. Was für Bunny schließlich den Ausschlag gab, war die Stimme, die ihm gefiel. Noch bevor er Paul Watkins’ Gesicht gesehen hatte, spürte er Paul Watkins’ starken Charakter, fühlte sich angezogen von etwas Tiefem, Bewegendem, Kraftvollem.
    Bunny glitt von der Fensterbank und ging hinüber zu Mrs Groarty, die sich nach einer heftigen Schimpfkanonade den Schweiß von der Stirn wischte.
    «Bitte, Madam», sagte er, «würden Sie mir gestatten, in die Küche zu gehen und mir einen Schluck Wasser zu holen?»
    Damit glaubte er, die Sache im Griff zu haben, doch er hatte nicht in Betracht gezogen, dass Mrs Groarty sich anschickte, ihrem Leben einen vornehmen Anstrich zu geben, und keine Gelegenheit ausließ, die Manieren reicher Leute nachzuahmen, auch wenn es nur um ein Glas Wasser ging. Ihr Herz entbrannte für den Sohn von J. Arnold Ross, und alles Essigsaure wich aus ihrer Stimme. «Natürlich, mein Lieber», sagte sie, erhob sich und führte ihn in die Küche.
    Bunny blickte sich um. «Meine Güte, was für ein schöner Raum!», rief er – was durchaus stimmte, denn alles war weiß lackiert.
    «Ja, er ist hübsch, freut mich, dass du das auch findest», sagte die Herrin dieser Pracht, während sie ein Glas vom Regal nahm und den Wasserhahn aufdrehte.
    «Eine richtig große Küche», sagte Bunny, «da lässt sich’s bequem arbeiten.» Er nahm das Glas Wasser, bedankte sich und trank einen Schluck.
    «So höflich und natürlich!», dachte Mrs Groarty. «Kein bisschen hochnäsig!»
    Bunny ging zur Hintertür. «Sie haben sicher eine große Veranda. Bisschen heiß hier drinnen, finden Sie nicht?» Er sperrte die Tür auf, öffnete sie und blickte hinaus. «Das Lüftchen tut gut», sagte er. «Sie können von hier aus alle Bohrlöcher sehen. Das wird lustig, wenn in diesem Block die Bohrungen losgehen!»
    «Was für ein freundlicher kleiner Bursche!», dachte Mrs Groarty und erwiderte, ja, sie hoffe, es werde bald so weit sein.
    Bunny sagte, sie

Weitere Kostenlose Bücher