Öl!
selbst verdient hatte, und auf eine seltsam verquere Art sehnte sich Bunny mitten in seinem Wohlleben nach diesem wilden Einsiedler, der die fleischlichen Genüsse verschmähte!
Am Morgen nach dem Treffen bei Mrs Groarty saß Bunny vor dem Hotel unter einer Palme und hoffte, Paul werde vorbeikommen. Stattdessen erschienen Mrs Groarty samt Mann zusammen mit Mr Dumpery und gefolgt von Mr und Mrs Bromley mit ihren derzeitigen Freunden, den jüdischen Schneidern. Es war eine Abordnung der mittleren Parzellen, und sie berichteten, sie hätten bis ein Uhr früh zusammengesessen und beschlossen, die gemeinsame Vereinbarung zu widerrufen und jeder für sich zu verhandeln; nun wollten die mittleren Parzellen, dass Dad von ihnen pachtete. Bunny erwiderte, Dad sei mit dem Geologen auf dem Ölfeld; sie könnten zwar auf ihn warten, aber Bunny wisse, wie viel Wert Dad auf Grenzbohrungen lege, deshalb werde er wohl kaum mit einem kleinen Pachtgrund vorliebnehmen.
Dann setzte sich Bunny neben Mrs Groarty auf die Bank, um herauszubekommen, ob Paul sich ihr gezeigt hatte. Bunny gestand, dass er gestern Abend etwas sehr Schlimmes getan habe; er habe die Küchentür nicht zugesperrt, nachdem er auf die Veranda hinausgeschaut habe. Getreu seinem Vorhaben, immer nur die Wahrheit zu sagen, berichtete er, dass jemand in ihre Küche gegangen sei und sich etwas zu essen genommen habe; Bunny habe versprochen, nicht zu verraten, wer, aber dieser Jemand sei sehr hungrig gewesen und habe Bunny sehr leid getan. Wenn Mrs Groarty gestatte – und er zog sein kleines Portemonnaie heraus.
Mrs Groarty glühte vor Entzücken über die Feinfühligkeit der Aristokratie; sie hatte sich insgeheim in diesen seltsamen kleinen Burschen verliebt, der so hübsch anzusehen war mit seinen mädchenhaft empfindsamen roten Lippen und dabei die Manieren eines alten Marquis besaß – soweit Mrs Groarty aus Filmen darüber Bescheid wusste. Sie wies sein Geld zurück und dachte gleichzeitig, welch ein Jammer, dass sie nicht früher im Leben zu Reichtum gekommen war, dann hätten auch ihre Kinder so hübsche Kleider getragen und gelernt, sich so altmodisch elegant auszudrücken!
Als Bunny sich ein paar Tage später auf dem Ölfeld herumtrieb und allerlei Sehenswürdiges betrachtete, kam er zufällig am Haus der Groartys vorbei und sah, wie die künftige Ölbaronin ihre Kaninchen fütterte.
«Na, mein Kleiner?», rief sie, und als Bunny näher herantrat, sagte sie: «Ich habe einen Brief von Paul bekommen.»
«Wo ist er denn?», fragte Bunny aufgeregt.
«Der Brief ist in San Paulo aufgegeben worden, aber er sagt, wir sollen nicht nach ihm suchen, weil er jetzt schon weitergetrampt ist.»
«Und wie geht es ihm?»
«Er sagt, es geht ihm gut, wir sollen uns keine Sorgen machen. Das arme Kind, er hat mir zwei Fünfundzwanzig-Cent-Briefmarken geschickt, um das Essen zu bezahlen, das er sich genommen hat. Er sagt, er hat das Geld selbst verdient – der Gute!» Tränen rannen der Dame über die fülligen Wangen, und Bunny lernte die schwierige Lektion, dass die menschliche Natur ein kompliziertes Gebilde ist, dass ein und dieselbe dicke Dame mal eine gierige Hyäne sein kann, mal eine Mater Dolorosa 10 .
Die beiden setzten sich auf einen Kaninchenstall und plauderten miteinander. Bunny erzählte Mrs Groarty, wie alles abgelaufen war, und erleichterte sein Gewissen. Im Gegenzug erzählte ihm Mrs Groarty, wie die Familie Watkins – sie selbst war damals ein kleines Mädchen – auf die alte Art mit einem Planwagen von Arkansas hierhergezogen war; davor war sie, noch als Wickelkind, aus den Bergen Tennessees heruntergekommen. Die Familie besitze in Paradise in der Gegend von San Elido eine Ziegenfarm mit einer Quelle in einem kleinen, felsigen Tal; sie könnten nur ein paar Acres bewirtschaften und müssten einen Teil davon mit einer Handpumpe bewässern. Es sei Wüstenland, und ohne Pauls Arbeitskraft kämen sie wohl gar nicht mehr zurande. Mrs Groarty wollte ihnen ein paar von ihren Öldollars schicken, aber wer wusste schon, ob Abel – das war ihr Bruder, Pauls Vater – von ihr etwas annahm, er war ja so verrückt mit seiner Religion.
Bunny fragte, ob er sich schon immer so am Boden gewälzt habe, doch die Frau verneinte, darauf sei er erst vor ein paar Jahren verfallen. Was Mrs Groarty selbst anbelangte, so hatte diese, als sie vor drei Jahren ihren jetzigen Mann ehelichte, ihre geistige Heimat in dem allein seligmachenden Glauben gefunden, der sich in all den
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