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Öl!

Titel: Öl! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Upton Sinclair
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zog er eine kleine Rolle mit Geldscheinen aus der Tasche und sagte, Mr Benzinger müsse in dieser Sache ja Überstunden machen und habe extra Mühen und Kosten, da sei es nur fair, wenn Dad ihn dafür entschädige; es verstehe sich hoffentlich von selbst, dass sie auch in Zukunft häufig miteinander zu tun hätten, weil Dad sei einer, der seine Freunde nicht hängen lasse. Mr Benzinger steckte die Scheine unauffällig ein und sagte, er verstehe vollkommen; die Bezirksbehörden ließen Männern, die hierherkämen und zum Nutzen der Allgemeinheit die Industrie aufbauten, jede Hilfe zuteilwerden; Dad könne sich darauf verlassen, dass die Ausbesserungsarbeiten morgen früh in Angriff genommen würden.
    Sie gaben sich die Hand, Dad und Bunny gingen hinaus, und Dad sagte zu Bunny, er dürfe niemals, unter keinen Umständen, weitererzählen, was er in diesem Büro gesehen habe, weil jeder Beamte habe Feinde, die ihm seine Arbeit wegnehmen wollten und versuchen würden, es so hinzustellen, wie wenn Dad ihn bestochen hätte. Das war natürlich nicht der Fall, es war schließlich der Beruf dieses Mannes, die Straßen in Ordnung zu halten, und Dad hatte ihm nur ein kleines Trinkgeld gegeben, als Dankeschön sozusagen. Man käme sich ja unanständig vor, wenn man ihm nix geben würde, man selbst verdiente schließlich einen Haufen Geld, und diese armen Teufel müssten von einem Hundelohn leben. Bestimmt hatte Mr Benzinger daheim Frau und Kinder und obendrein Schulden, seine Frau war womöglich krank, und sie konnten den Arzt nicht zahlen. Heute musste der Mann länger im Büro bleiben, dann musste er noch am Abend losziehen und für diese Arbeit ein paar Männer aus dem Hut zaubern; vielleicht wurde er auch von seinen Vorgesetzten abgekanzelt, weil er ohne Befugnis gehandelt hatte. Die Vorgesetzten wurden wahrscheinlich von einer der großen Firmen bezahlt, die nur Straßen zu ihren eigenen Pachtgrundstücken gebaut haben wollten. Man muss alle möglichen Strippen ziehen, sagte Dad, und jeden Augenblick auf der Hut sein. Glaub bloß nicht, du könntest mir nix, dir nix daherkommen und Schätze im Wert von mehreren Millionen Dollar aus dem Boden holen, ohne dass alle möglichen Kerle anrücken und dir das wegnehmen wollen.
    Das alles klang vernünftig, und Bunny hörte zu, während Dad seine Lieblingslektion vortrug: Hab ein Auge auf dein Geld! Eines Tages könne Dad etwas zustoßen, und dann habe Bunny das Ganze am Hals, deshalb könne er sich nicht früh genug klarmachen, dass die Leute, denen er begegnete, versuchen würden, durch mehr oder weniger raffinierte Tricks an sein Geld zu kommen. Bunny dachte gar nicht daran, den Ausführungen seines Vaters zu widersprechen, er wollte nur die Dinge in seinem eigenen Kopf sortieren, deshalb fragte er: «Aber, Dad, erinnerst du dich an diesen Jungen, an Paul? Der hat nicht versucht, an unser Geld zu kommen; ich habe ihm nämlich welches angeboten, und er wollte es nicht nehmen. Er ist weggegangen, ohne dass ich ihn noch einmal gesehen habe.»
    «Ja, ich weiß», sagte Dad, «aber er hat doch erzählt, dass seine ganze Familie verrückt ist, und er ist einfach nur ’ n bisschen anders verrückt, das ist alles.»
    3
    Dies war ein moralisches Problem, das Bunny mit sich selbst erörterte: War Paul Watkins verrückt, weil er sich so verhielt? Wenn ja, dann trug auch Bunny einen Hauch von Verrücktheit in sich, denn Paul hatte ihn enorm beeindruckt, und er musste immer wieder an ihn denken. Aus Respekt vor Pauls Ehrgefühl hatte er den noblen Beschluss gefasst, nicht mehr zu lügen, nicht einmal bei nebensächlichen Anlässen. Außerdem hatte die Begegnung mit Paul ihm plötzlich bewusst gemacht, welch ein behagliches Leben er führte. Als er am nächsten Morgen die Augen aufschlug und auf der dicken, weichen Matratze des Hotelbetts lag, unter schweren, glatten, weißen Leintüchern und warmen, wollweichen Decken, gestreift in der Farbe reifer Erdbeeren, dachte er sofort: Wie hatte Paul in dieser Nacht geschlafen, ohne Dach über dem Kopf und ohne Decke? Hatte er auf dem nackten Erdboden gelegen? Großmutter rief sofort, wenn sie Bunny am Abend auch nur auf dem Boden sitzen sah: «Du holst dir den Tod!» Unten im geräumigen Speisesaal des Hotels raubte ihm der Gedanke an einen Paul ohne Frühstück jeden Appetit auf eisgekühlte Grapefruit, Cornflakes mit Sahne, Eier mit Speck und Pfannkuchen mit Ahornsirup. Paul würde hungern, weil er zu stolz war, etwas zu essen, was er sich nicht

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