Öland
aufmachen?«
Das Kratzen im Lautsprecher verstummte.
»Haben die dich überhaupt gehört?«, fragte John.
»Keine Ahnung.«
Gerlof hörte ein Krächzen hinter sich und drehte sich um.
In einer kahlen Birke neben dem Parkplatz saßen ein paar
Krähen. Gerlof fand, dass sie anders klangen als die Krähen
auf Öland. Hatten Vögel Dialekte?
Dann sah er eine Gestalt, die sich dem Tor näherte. Es war
ein älterer Mann mit Schirmmütze und schwarzem Anorak,
der sehr langsam auf sie zukam. Der Mann drückte auf einen
Knopf auf seiner Seite des Tors, und es öffnete sich.
»Heimersson«, sagte der Mann und streckte ihnen die Hand
entgegen.
Gerlof gab ihm die Hand.
»Davidsson.«
»Hagman.«
»Wir würden uns gerne das Holzmuseum ansehen«, wiederholte Gerlof. »Ich habe gestern angerufen …«
»Stimmt«, sagte Heimersson, drehte sich um und ging voran. »Es war gut, dass Sie angerufen haben. Das Museum hat
eigentlich nur im Sommer geöffnet. Aber wenn man vorher
anruft, lässt sich das in der Regel einrichten.«
Sie befanden sich auf dem Werksgelände. Gerlof hatte den
Geruch von frisch gesägtem Holz und Männer mit Schirmmützen erwartet, die Bretter über riesige Haufen von Sägespänen trugen – wie immer war er in der Vergangenheit gefangen. Stattdessen sah er nur asphaltierte Wege und leereFlächen zwischen großen, grauen Gebäuden aus Stahl und
Aluminium. An allen hingen Schilder mit der Aufschrift
RAMNEBY HOLZ.
»Ich habe hier achtundvierzig Jahre gearbeitet«, erzählte
ihnen Heimersson. »Habe als Fünfzehnjähriger angefangen
und bin hängen geblieben. So ist das nun einmal … Und jetzt
kümmere ich mich ums Museum.«
»Wir kommen aus dem Dorf, in dem die Besitzer gelebt
haben, aus Nordöland«, sagte Gerlof.
»Die Besitzer?«, fragte Heimersson überrascht.
»Ja, Familie Kant.«
»Denen gehört das Werk schon lange nicht mehr«, sagte
Heimersson. »Sie haben es Ende der Siebzigerjahre verkauft,
nachdem Direktor Kant gestorben war. Heute gehört Ramneby irgendeiner Holzgesellschaft aus Kanada.«
»Und der ehemalige Besitzer … August Kant?«, fragte Gerlof. »Haben Sie ihn gekannt?«
»Ich kannte ihn, ja«, sagte Heimersson und lachte, als wäre
die Frage ausgesprochen komisch. »Ich habe ihn mehr als
vierzig Jahre lang gekannt. Er kam jeden Tag mit seinem alten MG vorgefahren … So, jetzt sind wir da. Das ist übrigens
das ehemalige Büro, das am Ende aber zu klein wurde.«
Heimersson schloss auf und machte Licht.
»Herzlich willkommen. Das macht dann dreißig Kronen
pro Person.«
Er hatte sich hinter einen Tisch gestellt, auf dem eine riesige alte Kasse stand.
Gerlof bezahlte und bekam zwei Eintrittskarten ausgehändigt, die identisch waren mit dem Zettel, den er in Ernst
Adolfssons Portemonnaie gefunden hatte. Dann ging es in
die Ausstellungsräume.
Das Museum war nicht besonders groß, es bestand nur aus
zwei Räumen. In der Mitte des einen standen alte Sägen und
Messinstrumente, an den Wänden hingen Fotografien. Viele alte,gerahmte Schwarz-Weiß-Aufnahmen, alle mit erläuternden Bildunterschriften auf kleinen Papierstreifen. Gerlof
ging auf die Fotos zu und betrachtete sie eingehend, die
Gruppe der Sägewerksarbeiter, die Waldarbeiter mit den Sägen in den Händen und Bilder von Frachtseglern, deren Decks
voller Holz waren.
»Im nächsten Raum sind die aktuelleren Aufnahmen«,
sagte Heimersson hinter seinem Rücken.
»Aha«, erwiderte Gerlof nur.
Er wollte am liebsten allein durch die Ausstellung gehen
und hatte auch schon bemerkt, dass sich John vom Museumswärter fernhielt.
»Dort steht auch unser erster Computer«, fuhr Heimersson
eifrig fort. »Das nennt man Fortschritt … Die gesamte Arbeit
wird ja mittlerweile von Computern gesteuert. Ich verstehe
zwar nicht ganz, wie das genau vor sich geht, aber es funktioniert!«
»Aha!«
Gerlof setzte seine Suche vor den Schwarz-Weiß-Aufnahmen fort.
»Ramneby exportiert behandeltes und veredeltes Holz bis
nach Japan«, sagte Heimersson. »Mit denen habt ihr Öländer
bestimmt noch nie Geschäfte gemacht, oder?«
»Nein«, antwortete Gerlof, fügte aber etwas spitz hinzu:
»Dafür bedeckt unser Kalkstein den Boden der Sankt-Pauls-
Kathedrale in London.«
Heimersson verstummte, und Gerlof wechselte das Gesprächsthema:
»Ein Freund von uns war letzten Monat hier. Ernst Adolfsson.«
»Auch ein Öländer?«
Gerlof nickte.
»Ein alter
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