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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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fahren.
    Sie hielt vor einem Bäcker in der Storgatan und vermied
     dadurch, am Hafen und am Marktplatz mit der Kirche vorbeifahren zu müssen; hinter der Kirche hatte sie mit ihren Eltern gewohnt, als Gerlof seinen ersten eigenen Kutter besaß
     und in der Nähe vom Hafen wohnen wollte. Borgholm bedeutete Kindheit. Julia wollte sich nicht als kleines Mädchen auf
     den Straßen um den Marktplatz hüpfen sehen wie ein dünnes Gespenst, ein acht oder neun Jahre altes Mädchen, das
     Leben noch vor sich. Sie wollte auch keinen jungen Männern begegnen, die ihr mit großen Schritten entgegenkamen und sie an Jens erinnerten. Davon hatte sie in Göteborg
     schon genug.
    Die Türglocke klingelte über dem Eingang der kleinen
     Bäckerei.
    »Hallo.«
    Das Mädchen hinter der Theke war blond, hübsch und sehr
     gelangweilt. Es hörte mit leerem Blick zu, als Julia ihre Bestellung von zwei Zimtschnecken und zwei Sahnetörtchen mit
     Erdbeeren aufsagte.
    Dieses Mädchen hätte sie selbst sein können, vor dreißig


     Jahren,aber Julia war schon mit achtzehn von der Insel weggezogen und hatte in Kalmar und Göteborg gearbeitet. Mit
     zweiundzwanzig lernte sie in Göteborg Michael kennen und
     war schon wenige Wochen später mit Jens schwanger.
    »Im Moment sind ja nicht viele Leute hier«, sagte sie, während das Mädchen den Kuchen aus der verglasten Theke
     holte. »Jetzt im Herbst, meine ich.«
    »Das stimmt«, erwiderte das Mädchen, ohne zu lächeln.
    »Fühlst du dich wohl hier?«, fragte Julia.
    Das Mädchen schüttelte kurz den Kopf.
    »Manchmal. Aber es gibt nichts zu tun. Borgholm lebt nur
     im Sommer.«
    »Wer sagt das?«
    »Alle«, antwortete das Mädchen. »Die Stockholmer jedenfalls.« Sie wickelte den Kuchen in Papier und reichte ihr das
     Paket. »Ich werde bald nach Kalmar ziehen«, sagte sie. »Haben
     Sie sonst noch einen Wunsch?«
    Julia schüttelte den Kopf. Sie hätte dem Mädchen erzählen
     können, dass sie auch als Teenager in Borgholm gearbeitet
     hatte, in einem Café am Hafen, und furchtbar gelangweilt
     gewesen war und darauf gewartet hatte, dass endlich das Leben anfing. Dann wollte sie plötzlich von Jens erzählen, sagte
     aber nichts. Der Ventilator brummte, ansonsten war es still in
     der Bäckerei.
    »Sind Sie Touristin?«, fragte das Mädchen.
    »Ja … Nein«, stotterte Julia. »Ich fahre für ein paar Tage nach
     Stenvik. Meine Familie hat dort ein Sommerhaus.«
    »Da oben ist es jetzt wie am Ende der Welt, wie in Nordschweden«, sagte das Mädchen, während sie Julia das Wechselgeld gab. »Fast alle Häuser stehen leer. Keiner sieht einen
     da oben, egal, was man macht.«
    Es war halb vier, als Julia die Bäckerei verließ und sich auf der
     Straße umsah. Borgholm war eine verlassene Stadt. Nur ein

     paarMenschen waren zu Fuß unterwegs, und die wenigen
     Autos fuhren im Schritttempo durch die Straßen, sonst war
     nichts los. Die große Schlossruine wachte mit dunklen Fensteröffnungen auf dem Hügel über der Stadt.
    Kalter Wind strich durch die Straßen, als Julia zum Auto
     zurückging. Es war geradezu unheimlich still.
    Sie ging an einem Schwarzen Brett vorbei, auf dem die Meldungen wie auf einem Flickenteppich übereinandergeklebt
     waren: amerikanischer Actionfilm im Kino von Borgholm,
     Rockkonzert in der Schlossruine und verschiedene Abendkurse. Die Zettel waren in der Sonne ausgeblichen und vom
     Wind an den Rändern eingerissen.
    Es war das erste Mal, dass Julia als Erwachsene die Insel
     so spät im Jahr besuchte. In der Nachsaison, wenn alles auf
     Öland wieder langsamer wird. Sie kehrte zum Auto zurück.
    Nördlich der Stadt verlief die trockene Grasebene der Alvar zu beiden Seiten der Straße, die sanft ins Landesinnere
     schwenkte und schnurgerade in die platte Landschaft führte,
     wo man runde, flechtenbewachsene Granitblöcke aus den
     Feldern geholt und zu langen niedrigen Mauern aufgeschichtet hatte. Diese Steinmauern durchzogen die Alvar wie ein
     gigantisches Muster.
    Julia empfand leichte Angst unter dem großen, weiten
     Himmel und sehnte sich immer stärker nach einem Glas Rotwein. In dieser Einöde erschienen ihr die Weinflaschen in
     ihrer Tasche wie die einzige interessante Gesellschaft.
    Auf ihrem Weg nach Norden begegnete sie nur zwei Fahrzeugen, einem Bus und einem Traktor. Sie fuhr an gelben
     Schildern mit Namen kleiner Ortschaften und Höfe entlang
     der Straße vorbei, Namen, an die sie sich von früher erinnerte. Sie konnte sie auswendig

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