Öland
erzählt.«
»Das war doch nicht zu viel verlangt, oder?«, fragte Gerlof.
»Sag das nicht«, entgegnete Ljunger scharf. »Jetzt ist das
noch wertloser Boden, aber daraus kann in Zukunft noch
etwas werden. Ein öländisches Kasino, das in den Berg eingelassen ist, wer weiß das schon? Darum habe ich dankend abgelehnt.« Ljunger sah zu Gerlof. »Ihr alten Seemänner überschätzt offensichtlich eure Macht und euren Einfluss, wenn
ihr meint, irgendjemand wäre an Dingen interessiert, die vor
einer Ewigkeit passiert sind.«
»Na, du bist auf jeden Fall interessiert, Gunnar«, sagte Gerlof. »Ansonsten wären wir jetzt nicht hier.«
»Ich kann es mir nicht leisten, einen Haufen Rentner
herumlaufen zu lassen, die wilde Geschichten erzählen«, verteidigte sich Ljunger. »Das verstehst du doch sicher. Es geht
nicht nur um die aktuellen Projekte, wir haben große Bauvorhaben in Långvik, die zurzeit beim Bauausschuss liegen
und auf ihre Genehmigung warten. Dabei geht es um bedeutende Summen und Investitionen. Sechzig neue Grundstücke sollen im nächsten halben Jahr östlich des Ortes verkauft
werden. Was glaubst du, was die wert sind?«
Gerlof verstand.
»Aber ich bin wirklich der Einzige, der darüber Bescheid
weiß, sonst keiner. John nicht und meine Tochter auch nicht.«
Ljunger lachte ihn amüsiert an.
»Das ist sehr edelmütig von dir, Gerlof, dass du die ganze
Verantwortung übernimmst. Ich glaube dir sogar.«
»Hast du auch Vera Kant umgebracht, Gunnar?«
»Aber nein. Sie ist die Treppe heruntergefallen und hat sich
das Genick gebrochen. Ich habe niemanden umgebracht.«
»Du hast Ernst ermordet!«
»Nein«, wehrte sich Ljunger. »Wir hatten eine Meinungsverschiedenheit. Daraus ist dann ein kleiner Streit geworden.«
»Und bei diesem Streit hat Ernst dann eine seiner Skulpturen in den Steinbruch geworfen?«
»Ja, das hat er. Dann habe ich ihn gestoßen, und er ist den
Hang heruntergefallen und hat eine der großen Steinskulpturen mitgerissen. Es war ein Unfall, genau wie die Polizei gesagt hat!«
»Du hast Nils Kant getötet«, versuchte Gerlof es erneut.
»Nein, auch nicht.«
»Dann war es Martin«, sagte Gerlof. »Und Jens? Wer von
euch hat Jens auf dem Gewissen?«
Jetzt lachte Ljunger nicht mehr. Er sah auf die Uhr und
ging Richtung Auto.
»Ist Jens euch in der Alvar begegnet?«, rief ihm Gerlof mit
erhobener Stimme hinterher. »Warum habt ihr mein Enkelkind nicht am Leben gelassen? Er war noch keine sechs Jahre
alt, er war doch keine Bedrohung für euch!«
»Wir lassen dieses düstere Kapitel jetzt ruhen, Gerlof. Ich
muss los.«
Das war bestimmt keine Ausrede, Gunnar Ljunger hatte einen vollen Terminkalender. Gerlof umzubringen war lediglich ein Tagesordnungspunkt unter vielen.
Gerlof schloss die Augen, um sie vor Regen und Kälte zu
schützen. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten,
aber vor Gunnars Augen auf die Knie sinken wollte er auf keinen Fall.
»Ich weiß, wo die Edelsteine sind«, rief er.
Gerlof machte einen Schritt auf den Wagen zu. Wenn er
nah genug kommen würde, würde er dem glänzenden Blechmitseinem Stock wenigstens eine ordentliche Beule verpassen können.
»Die Edelsteine?«
Ljunger drehte sich um. Seine Hand lag bereits auf dem
Türgriff. Gerlof nickte.
»Die Kriegsbeute der Soldaten. Ich habe sie bekommen und
versteckt. Hilf mir in den Wagen, dann fahren wir und holen
sie.«
Ljunger schüttelte langsam den Kopf und lächelte ihn ein
letztes Mal an.
»Vielen Dank für das Angebot«, sagte er. »Ich habe Nils damals immer wieder nach dieser Beute gefragt, aber es war
vor allem Martin, der sie haben wollte. Es ist ja nicht einmal
sicher, ob diese Steine etwas wert sind. Mir war der Grundbesitz von Vera genug, man soll nicht zu gierig werden!«
Damit öffnete er die Wagentür, stieg ein und startete den
Motor. Das Auto rollte langsam auf den Schotterweg zurück.
Gerlof blieb hilflos auf der Wiese zurück. Er ließ den Stock
sinken und sah dem Wagen hinterher, mit dem auch sein
Mantel verschwand.
Ljunger verschwendete nicht einen Blick auf Gerlof. Oben
an der Landstraße, unerreichbar fern, hielt der Jaguar kurz
an. Gerlof beobachtete mit zusammengekniffenen Augen,
wie Gunnar die Tür öffnete, den Wintermantel und die Aktentasche hinauswarf. Dann schlug er die Tür wieder zu und
fuhr los.
Gerlof stand mit dem Rücken zum Regen, der Wind sauste
in seinen Ohren.
Er war durchnässt, fror
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