Öland
auf ihn ein. Anders schüttelte
den Kopf. John zeigte mit dem Finger auf ihn, und Gerlof
hörte, dass er lauter wurde. Vater und Sohn Hagman hatten
ein angespanntes Verhältnis, das wusste Gerlof, sie waren zu
sehr aufeinander angewiesen.
Am Ende nickte Anders, und daraufhin schüttelte John
den Kopf und wandte sich ab.
»Ernst ist also tot«, flüsterte John, als er hinter dem Steuer saß.
»Das hat Julia zumindest gesagt«, erwiderte Gerlof auf dem
Beifahrersitz und schaute auf das glitzernde Wasser unterhalb der Küstenstraße.
»Ist er unter einen Stein gekommen?«, fragte John.
»Unter einen großen Stein. Hat Julia gesagt«, antwortete
Gerlof.
Seit über sechzig Jahren hatte es keinen Unfall mehr im
Steinbruch gegeben, fiel ihm da ein – und jetzt war er längst
geschlossen und Ernst unter einem Stein begraben worden.
»Ich habe den Reserveschlüssel mitgenommen«, sagte John.
»Falls sie schon mit ihm weggefahren sind.«
»Hat er dir einen Schlüssel gegeben?«, fragte Gerlof, dem
Ernst dieses Vertrauen nie entgegengebracht hatte. Andererseits hatte er für sein Häuschen auch keinen Ersatzschlüssel
bei Ernst deponiert.
»Ernst wusste, dass ich nicht herumschnüffeln würde«,
sagte John.
»Aber jetzt müssen wir uns vielleicht doch bei ihm umschauen«, sagte Gerlof. »Ich weiß nicht richtig, wonach wir
suchen sollen. Aber suchen müssen wir.«
»Ja. Jetzt ist es auch etwas anderes«, bestätigte John.
Gerlof erwiderte nichts, er starrte hinaus, denn ihnen kam
auf der Küstenstraße ein Rettungswagen entgegen. Gerlof
hatte in Stenvik noch nie einen Rettungswagen gesehen.
Er kam den Weg vom Steinbruch ohne jede Eile heraufgefahren, auch die dunkelblauen Lampen auf dem Dach waren
ausgeschaltet. Das sagte alles. Der Notarztwagen fuhr vorbei
und bog auf die nördliche Landstraße.
»Das Geschäft mit seinen Skulpturen lief richtig gut diesen
Sommer«, sagte John nach einem Moment des Schweigens.
»Wir haben uns darüber lustig gemacht, dass Ernst mehr
Kunden hat als ich Fische im Netz.«
Gerlof nickte nur, es gab einfach nichts mehr zu sagen.
Ernsts Tod lag wie eine schwere Last auf seinen Schultern.
John bog in den schmalen Weg zum Plateau gegenüber
vom Steinbruch, und Gerlof entdeckte viele Autospuren im
Lehm. Hinter den Wagen von Ernst und Julia hatten zweiStreifenwagen sowie ein glänzend blauer Volvo geparkt. Neben diesem Wagen stand ein Mann mittleren Alters mit
Schirmmütze und Kamera um den Hals.
»Bengt Nyberg hat sich schon wieder ein neues Auto gekauft«, bemerkte Gerlof.
»Zeitungsleute verdienen gut«, sagte John.
»Tun sie das?«, fragte Gerlof. John bremste, hielt direkt neben dem Schild STEINKUNST – WILLKOMMEN und machte
den Motor aus. Es wurde still.
Gerlof stieg mit Müheausdem Wagen, seine Gelenke waren
steif und protestierten gegen die ungewohnten Bewegungen.
Er stützte den Stock auf den Boden, richtete sich auf und begrüßte den Lokalreporter, der für Nordöland zuständig war.
»Der Rettungswagen hat ihn schon weggebracht«, sagte
Nyberg.
»Wissen wir«, erwiderte Gerlof.
»Ich habe ihn auch verpasst. Ich habe nur ein paar Aufnahmen von den Polizisten und dem großen Fleck da unten geschossen, aber ich glaube nicht, dass wir das drucken können. Aber das müssen die in Borgholm entscheiden.«
Es klang, als würde er über ein Auto im Graben oder eine
zerbrochene Fensterscheibe sprechen. Aber Bengt hatte
schon immer wenig Einfühlungsvermögen gehabt.
»Ohne Bilder wäre besser«, befand Gerlof.
»Wisst ihr, wer ihn gefunden hat?«, fragte Nyberg und
drückte auf einen Knopf an der Kamera. Es surrte, während
die Filmrolle zurückgespult wurde.
»Nein«, log Gerlof.
Er ging langsam auf die Kante des Steinbruchs zu. Wo
steckte Julia?
»Fahr nach Hause und schreib deinen Artikel, Bengt«, sagte
John hinter ihm.
»Ja, schon gut«, entgegnete Nyberg. »Morgen könnt ihr
ihn lesen.«
Gerlof ging schwerfällig an Haus und Werkstatt vorbei
zum Steinbruch. Als er nur noch wenige Meter von der Abbruchkante entfernt war, kam von unten ein Polizist in Uniform hochgeklettert. Er legte ein Bein auf die Kante, zog sich
hoch und beugte sich anschließend hinab, um einem zweiten, jüngeren Kollegen hinaufzuhelfen. Dann schnappte er
kurz nach Luft und musterte Gerlof, der keinen von beiden
kannte. Sie mussten aus Borgholm oder sogar vom Festland
kommen.
»Sind Sie Angehörige?«,
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