Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
fragte der ältere der beiden Polizisten.
     »Alte Freunde«, antwortete Gerlof. »Seine Angehörigen leben in Småland.«
    Der Polizist nickte.
    »Da gibt es nicht viel zu sehen«, sagte er.
    »War es ein Unfall?«
    »Ein Arbeitsunfall«, sagte der Polizist.
    »Er wollte wohl eine der Figuren umstellen«, meinte der
     Jüngere und zeigte auf die Kante, wo noch die Mulde im Kies
     zu sehen war. »Er scheint hier gestanden und die Skulptur
     festgehalten zu haben. Und dann …«
    »Ja, dann ist er ausgerutscht oder gestolpert und heruntergefallen, und der Stein hat ihn unter sich begraben«, analysierte der Ältere.
    »Das muss alles sehr schnell gegangen sein«, fügte der Jüngere hinzu.
    Gerlof machte, auf seinen Stock gestützt, ein paar Schritte
     auf die Kante zu.
    Unten im Steinbruch lag der Kirchturm, Ernsts größte
     Skulptur. Man sah genau, wo er nach dem Sturz gelandet war.
     Im Kies war ein tiefer Abdruck zu sehen.
    Gerlof sah schnell weg und ließ den Blick über das Gelände
     des Steinbruchs schweifen. Als er aber an die vielen Grabsteine und -platten denken musste, die man im Laufe derJahre aus dem Berg gebrochen hatte, schaute er stattdessen
     zum Strand und aufs Wasser, und dann ging es ihm endlich
     ein bisschen besser.
    Dann ließ er seinen Blick an der Kante entlanggleiten, wo
     die übrigen Skulpturen in Reih und Glied standen. Ernst
     hatte sie alle im Abstand von ein paar Metern aufgestellt,
     aber weiter hinten entdeckte Gerlof eine größere Lücke. Er
     ging dorthin.
    Hier war eine weitere, kleinere Skulptur in den Steinbruch
     gestürzt. Ein rundes, längliches Ding, das aussah wie eine Art
     Ei oder der Kopf eines Trolls. Anders als der Kirchturm war
     sie allerdings in zwei Teile zersprungen.
    Aha. Gerlof drehte sich ganz langsam um, damit er auf
     dem unebenen Kiesboden nicht das Gleichgewicht verlor,
     und ging Richtung Wohnhaus.
    »Ist Julia Davidsson noch da?«, fragte er die Polizisten. Sie
     waren für eine erste Untersuchung bei Ernsts Werkstatt stehen geblieben, in dem sich Vorschlaghammer, Schubkarren
     und eine alte Steinschleifmaschine mit weiteren Skulpturen
     drängten.
    »Sie sitzt mit Henriksson im Haus«, sagte der Ältere.
    »Danke.«
    Die Tür zum Haus war angelehnt, John musste also schon
     hineingegangen sein. Gerlof stieg mühsam die lange Holztreppe hoch. Er machte ein paar erfolglose Versuche, seine
     Schuhe auf der Matte abzuwischen, dann stieß er die Tür
     auf.
    Mehrere Paar Schuhe lagen im Flur – Gerlof musste sie mit
     seinem Stock beiseiteschieben, um vorbeizukommen. An den
     Wänden hingen gerahmte Fotografien von früheren Steinmetzen mit Spitzeisen und Spaten in den Händen.
    Aus dem Inneren des Hauses drangen gedämpfte Stimmen.
     John stand an dem großen Fenster im Wohnzimmer und
     sah hinaus. Auf dem Sofa saßen Julia und ein uniformierterPolizist, ein älterer Mann, der wohlerzogen seine Uniformmütze abgenommen hatte.
    Gerlof nickte ihm zu.
    »Hallo, Lennart.«
    Der Mann auf dem Sofa war der erste Polizist am Tatort,
     den Gerlof wiedererkannte. Lennart Henriksson war seit
     fast fünfunddreißig Jahren Polizist, sein Einsatzgebiet war
     der gesamte Norden der Insel, er selbst wohnte jedoch in
     einem Haus nördlich von Marnäs und hatte eine kleine Polizeiwache am Hafen. Er hatte graues Haar und stand kurz
     vor der Pensionierung. Normalerweise war sein Blick immer ein wenig teilnahmslos, hingen seine breiten Schultern
     tief in seiner Uniform. Jetzt aber saß er kerzengerade neben
     Julia.
    »Hallo, Seemann«, sagte Henriksson zu Gerlof.
    »Hallo, Papa«, sagte Julia mit leiser Stimme.
    Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass sie dieses Wort
     benutzte, woraus Gerlof schloss, dass es ihr nicht gut ging. Er
     ging langsam auf den Couchtisch zu.
    »Willst du dich setzen?«, fragte Lennart.
    »Es geht noch, Lennart. Ein bisschen Bewegung ab und zu
     tut mir ganz gut.«
    »Du siehst gut aus, Gerlof.«
    »Danke.«
    Sie schwiegen. John verließ wortlos den Raum.
    »Julia hat mir erzählt, dass sie deine Tochter ist.«
     Gerlof nickte, und es wurde wieder still.
    »Ist der Rettungswagen schon weggefahren?«, fragte Julia
     und sah Gerlof in die Augen.
    »Ja, John und ich sind ihm auf der Landstraße begegnet.«
     Julia nickte.
    »Dann ist er also weg.«
    »Ja.« Gerlof sah zu Henriksson. »War ein Arzt dabei?«,
     fragte er.
    »Ja. Ein junger Arzt in der Ausbildung aus Borgholm. Ich
     hatte ihn vorher noch nie gesehen. Er hat nur

Weitere Kostenlose Bücher