Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
Vom Netzwerk:
langsam in den Nebel, lautlos wie ein Gespensterschiff. Gerlof rief ihm hinterher, aber
     Ernst war verschwunden.
    Als Gerlof endlich aufwachte, blieb nur tiefe Trauer um
     ihn zurück.
    »Bieg hier links ab«, sagte Gerlof am nächsten Morgen zu Julia.
    Julia sah ihn an und bremste.
    »Wir fahren doch nach Marnäs, oder nicht?«, fragte sie.
     »Zur Wohnanlage?«
    »Ja, bald. Aber jetzt noch nicht«, erwiderte Gerlof. »Ich
     dachte, wir trinken erst einmal einen schönen Kaffee in
     Stenvik.«
    Julia betrachtete ihn einige Sekunden lang, fuhr an und
     bog links ab. Gerlof warf automatisch einen Blick zu seinem
     Bootshaus, um zu kontrollieren, ob alle Fensterscheiben heil
     waren.
    »Wieder links«, sagte er dann und zeigte mit dem Finger
     auf ein Haus an der Küstenstraße. »Da wollen wir hin.«
    Julia verringerte das Tempo und kreuzte die Straße, ohne
     auf entgegenkommenden Verkehr zu achten oder in den
     Rückspiegel zu sehen.
    »Da wohnt eine alte Frau«, sagte sie, als sie das Auto vor
     dem Haus anhielt. »Ich habe sie vorgestern gesehen … Sie war
     mit ihrem Hund unterwegs.«
    »So alt ist sie gar nicht«, sagte Gerlof. »Astrid Linder ist gerade mal siebenundsechzig oder vielleicht achtundsechzig.
     Sie ist erst vor Kurzem in Rente gegangen. Sie war jahrelang
     Ärztin in Borgholm. Aber sie ist hier oben aufgewachsen.«
    »Und sie wohnt das ganze Jahr über in Stenvik?«
    »Jetzt tut sie das. Ich habe nach Ellas Tod mein Sommerhaus verlassen, sie hat es umgekehrt gemacht, als sie Witwe
     wurde.« Gerlof öffnete die Wagentür, spürte den Schmerz, als
     er sich zur Seite drehte, und seufzte. »Sie ist allerdings wesentlich rüstiger als ich.«
    Gerlof schaffte es, die Beine alleine aus dem Auto zu heben,
     aber dann musste Julia ihm beim Aufstehen helfen. Er nickte
     kurz zum Dank, dann gingen sie zum Haus.
    Gerlof sah sich um.
    »Wenn ich in Stenvik bin, stelle ich mir vor, dass in allen
     Häusern noch Leute wohnen«, gestand er. »Manchmal denke
     ich sogar, dass sich die Gardinen bewegen. Man kann Schatten auf der Hauptstraße sehen, kleine Bewegungen an den
     Rändern des Gesichtsfeldes … Gespenster sieht man am besten aus den Augenwinkeln.«
    Julia antwortete ihm nicht.
    In der niedrigen Mauer befand sich ein Holzgatter, und
     Julia öffnete es. Der Garten war menschenleer. Auf einer flachen Kalksteinterrasse standen vier weiße Plastikstühle um
     einen kleinen Tisch und daneben ein kleiner grauer Gartenzwerg aus Porzellan mit einer grünen Mütze, der mit einem
     eingefrorenen Lächeln auf die Bucht blickte.
    Noch ehe sie geklingelt hatten, hörten sie eifriges Hundegebell.
    »Sei still, Willy!«, rief eine Frauenstimme, aber der Hund
     beruhigte sich nicht.
    Als sie die Tür öffnete, schoss er wie ein kleiner, weißbrauner Blitz heraus und jagte um Julias und Gerlofs Beine herum;
     er musste sich an ihr festhalten, um nicht das Gleichgewicht
     zu verlieren.
    »Beruhige dich, Dummerle!«, rief Astrid.
    Sie erschien in der Tür, klein, weißhaarig und in Gerlofs
     Augen sehr schön.
    »Hallo, Astrid.«
    Astrid griff nach der Leine des Foxterriers und hielt ihn
     fest, dann blickte sie auf.
    »Hallo, Gerlof. Bist du wieder zu Hause?« Dann fiel ihr Blick
     auf Julia, und sie fragte: »Oha, hast du deine neue Freundin
     dabei?«
    Obwohl die Sonne schien, war der Herbstwind, der über das
     Land fegte, unerbittlich und eiskalt. Trotzdem deckte Astrid
     den Tisch auf der Terrasse, holte eine Decke, die sie Gerlof um
     die Schultern legte, und zog sich selbst einen dicken grünen
     Wollpullover über.
    »Der Pullover reicht doch«, sagte Gerlof.
    »Auf keinen Fall. Es ist viel zu frisch hier draußen«, erwiderte Astrid und holte den Kaffee und die Keksdose, die
     lediglich vier Lebkuchen aus dem Supermarkt enthielt.
     Astrid hielt offensichtlich nichts vom Backen. Sie goss Kaffee
     in die Tassen und setzte sich. Gerlof nahm an, dass Astrid sich
     nicht an Julia erinnerte, und war darum überrascht, als sie
     plötzlich mit leiser Stimme sagte:
    »Du erinnerst dich bestimmt nicht an mich, Julia, aber ich
     war damals dabei, als wir am Strand gesucht haben. Mein
     Mann und ich.«
    Gerlof sah Julia auf der anderen Seite des Tisches erstarren, langsam den Mund öffnen und nach Worten suchen.
    »Danke«, sagte sie schließlich. »Ich erinnere mich tatsächlich nicht. Es war an dem Tag alles so verwirrend.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Astrid nickte und nahm einen Schluck
     Kaffee. »Alle sind in

Weitere Kostenlose Bücher