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Öland

Öland

Titel: Öland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johan Theorin
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der Gegend herumgerannt. Die Polizei
     hat Boote in den Sund hinausgeschickt, aber keiner wusste
     so richtig, was er tun sollte. Eine Gruppe suchte den Strand
     Richtung Süden ab, wir gingen mit einer anderen nach Norden. Wir liefen stundenlang am Ufer entlang, schauten ins
     Wasser, unter jedes an Land gezogene Boot und hinter jedenFelsen. Dann wurde es Abend, und wir konnten nichts mehr
     sehen, wir konnten nicht die Hand vor Augen sehen … und
     mussten umdrehen. Es war schrecklich.«
    »Ja«, sagte Julia und sah auf ihre Tasse. »Alle haben an dem
     Abend gesucht, bis es dunkel wurde.«
    »Das war so schrecklich«, wiederholte Astrid. »Und er war
     leider nicht der Erste und auch nicht der Letzte, der im Sund
     verschwunden ist.«
    Es wurde still. Der Wind blies schwach. Willy schnaufte
     und bewegte sich unruhig unter dem Tisch.
    »Die Sandale des Jungen ist aufgetaucht«, brach es plötzlich aus Gerlof hervor.
    Er sah Astrid an, spürte aber im Augenwinkel den erstaunten Blick seiner Tochter.
    »Ach, wirklich«, sagte Astrid. »Hat sie im Wasser gelegen?«
    »Nein«, antwortete Gerlof. »An Land. Jemand muss sie
     all die Jahre aufbewahrt haben, aber wir wissen noch nicht,
     wer.«
    »Oh«, sagte Astrid. »Dann ist er nicht … ertrunken?«
    Julia stellte ihre Tasse hin, sagte aber nichts.
    »Allem Anschein nach nicht«, erwiderte Gerlof. »Das Ganze
     ist ziemlich kompliziert … Wir wissen auch noch nicht viel
     mehr.«
    »Der Mann, von dem du gestern gesprochen hast, Gerlof«,
     warf Julia ein. »Nils Kant. Weiß er was über Jens? Was meinst
     du?«
    »Nils Kant?«, wiederholte Astrid und sah Gerlof fragend an.
     »Wie kommt ihr denn auf den?«
    »Ich habe den Namen gestern wohl zufällig fallen lassen.«
    Julia sah verunsichert von Astrid zu Gerlof. Hatte sie etwas
     Unpassendes gesagt?
    »Ich dachte nur, dass er vielleicht etwas damit zu tun haben
     könnte. Nachdem er früher schon so einiges an Problemen
     verursacht hat.«
    Astrid seufzte.
    »Ich dachte, Nils Kant sei endlich vergessen«, sagte sie.
     »Nachdem er Stenvik verlassen hatte …«
    »Er ist praktisch vergessen«, unterbrach Gerlof sie. »Der
     beste Beweis dafür ist doch, dass Julia gestern das erste Mal
     von ihm gehört hat.«
    »Er war ein paar Jahre älter als ich«, fuhr Astrid fort, »aber
     wir sind trotzdem in der Schule in dieselbe Klasse gegangen.
     Er hatte immer schlechte Laune, ich habe ihn nie fröhlich
     gesehen. Er hat sich oft geprügelt und war sehr groß für sein
     Alter. Wir Mädchen hatten alle Angst vor ihm und die Jungen
     auch. Es war immer Nils, der eine Prügelei anfing, aber er hat
     die Schuld immer auf jemand anderen geschoben.«
    »Er ist mir in der Schule erspart geblieben, ich war ja älter
     als Kant«, sagte Gerlof, »aber John Hagman hat mir von den
     Prügeleien erzählt.«
    »Später hat er dann im Steinbruch seiner Familie gearbeitet«, sagte Astrid, »aber das lief auch nicht so gut.«
    »Auch dort gab es Ärger. Ein Vorarbeiter ist beinahe ertrunken.« Gerlof schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich,
     Astrid, dass einer der Steinfrachter in der Nacht Feuer fing,
     nachdem Nils dort aufhören musste? Die Isabell . Der Wind
     hatte sie in den Hafen von Långvik getrieben, und der Kapitän wurde vom Brand an Bord geweckt. Sie konnten den
     Frachter in letzter Sekunde an der Hafenpier vorbeischleppen, ehe er ganz in Flammen stand. ›Selbstentzündung‹, lautete das Ergebnis der Untersuchung, aber in Stenvik meinten viele, Nils Kant habe das Feuer gelegt. Und damit hat es
     wohl angefangen.«
    Julia sah ihn fragend an.
    »Was angefangen?«
    »Na ja … dass Nils Kant zum Sündenbock von Stenvik wurde«, erklärte er. »Für jedes Unheil, das geschah, wurde er verantwortlich gemacht.«
    »Nicht für alles«, fügte Astrid ironisch hinzu. »Nur für
     Verbrechen. Brände, Diebstähle, verletzte Tiere …«
    »Auch Unfälle«, sagte Gerlof. »Wenn ein Windmühlenflügel brach, ein Fischernetz kaputtging oder sich Boote losrissen und abtrieben …«
    »Er verdiente jede dieser Verdächtigungen«, sagte Astrid.
     »Das hat er bewiesen.«
    »Aber er hatte auch eine Geschichte«, sagte Gerlof. »Ein
     strenger Vater, der starb, als er noch klein war, und eine Mutter, die ihm einredete, er wäre was Besseres. Kein gesundes
     Umfeld, um darin groß zu werden.«
    Astrid nickte und fragte dann leise:
    »Ich habe gestern im Radio von dem Unfall gehört. Wann
     wird er begraben, Gerlof?«
    Gerlof

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