Öland
weggekürzt.« Er sah sich pessimistisch im Büro
um und fügte hinzu: »Wir werden sehen, wie lange die Wache
hier noch besetzt bleiben darf.«
»Soll sie geschlossen werden?«
»Vielleicht. Die Bosse da oben reden die ganze Zeit davon,
Geld zu sparen«, sagte Lennart. »Alles soll in Borgholm konzentriert werden, das wäre das Beste und Billigste, sagen sie.
Aber ich hoffe, dass ich bis zur Pensionierung hier bleiben
darf, es sind nur noch ein paar Jahre!« Er sah Julia an. »Haben
Sie schon gegessen?«
»Nein.«
»Wollen wir irgendwo zusammen essen gehen?«, fragte
Lennart.
»Ja. Warum nicht?«
»Schön. Wir gehen ins Moby Dick, ich muss nur noch
den Computer ausmachen und den Anrufbeantworter anstellen.«
Fünf Minuten später war Julia wieder am Hafen. Sie betraten
das beste Restaurant von Marnäs – das Beste und Einzige am
Ort, hatte er ihr erklärt.
Die Inneneinrichtung des Moby Dick war maritim inspiriert, mit Seekarten, Fischernetzen und alten, zersplitterten
Holzrudern, die an dunklen, holzvertäfelten Wänden hingen. Einige neugierige Gesichter drehten sich um, als Julia
eintrat, aber Lennart ging vor ihr, als wollte er sie beschützen,und wählte einen abgeschiedenen Tisch am Fenster mit
Aussicht aufs Meer.
»Hallo, herzlich willkommen.«
Ein Mann mit einem sehr dicken Bauch und hochgekrempelten Hemdsärmeln kam an ihren Tisch und reichte ihnen
zwei in Leder gebundene Speisekarten.
»Hallo, Kent«, sagte Lennart.
»Was wollt ihr an einem schönen Tag wie heute denn
trinken?«
»Ich nehme ein Bier«, sagte Lennart.
»Ich nehme Leitungswasser, danke«, sagte Julia.
»Tagesgericht ist heute Lasagne«, sagte Kent.
»Die nehme ich«, sagte Lennart.
»Ich auch.«
»Salat und Kaffee sind im Preis inbegriffen«, sagte der Wirt
und verschwand in die Küche.
Lennart stand auf, um sich Salat vom Büfett zu holen, und
Julia folgte ihm.
»Lennart!«, rief eine Männerstimme vom anderen Ende des
Lokals, als sie auf dem Rückweg zum Tisch waren. »Lennart!«
Der Polizist seufzte leise.
»Ich komme gleich«, flüsterte er Julia zu und ging zu dem
Mann, der ihn gerufen hatte. Es war ein älterer Herr mit rot
glänzendem Gesicht und einem Blaumann, wie ihn Landwirte tragen. Julia setzte sich allein an den Tisch und sah,
dass der Mann eifrig mit den Armen gestikulierte und Lennart mit grimmiger Miene etwas erzählte. Lennart antwortete ihm leise und kurz, woraufhin der Mann erneut mit den
Armen fuchtelte.
Nach ein paar Minuten kam der Polizist an ihren Tisch zurück und hatte sich gerade hingesetzt, als ihnen der Wirt auch
schon zwei Teller mit dampfend heißer Lasagne brachte.
Lennart seufzte erneut.
»Entschuldigen Sie, bitte«, sagte er.
»Das macht doch nichts.«
»Bei ihm ist jemand in die Scheune eingebrochen, und
man hat ihm einen Benzinkanister gestohlen«, fuhr er fort.
»Als Polizist auf dem Land ist man immer im Dienst, wenigstens hat man keine Probleme, seine Freizeit zu gestalten.
Aber jetzt essen wir erst einmal.«
Er beugte sich über seinen Teller.
Auch Julia begann zu essen. Sie war wirklich hungrig und
die Lasagne sehr gut.
Als sich sein Teller langsam leerte, nahm Lennart einen
großen Schluck Bier und lehnte sich zurück.
»Sie sind hier, um Ihren Vater zu besuchen?«, fragte er. »Sie
wollen nicht baden oder sich sonnen?«
Julia lachte und schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie. »Obwohl Öland auch im Herbst sehr
schön ist.«
»Gerlof scheint es gut zu gehen«, sagte Lennart. »Abgesehen von seinem Rheuma.«
»Ja, er leidet am Sjögren-Syndrom«, sagte Julia. »Es führt
zu rheumatischen Schmerzen, die in Schüben auftreten
und dann wieder abklingen. Aber er ist klar im Kopf und
kann noch immer seine Buddelschiffe bauen.«
»Ja, die sehen toll aus … Ich hatte mir schon mal überlegt,
eines für das Polizeirevier zu bestellen, aber dann ist doch
nichts daraus geworden.«
Sie schwiegen. Lennart leerte sein Bierglas und fragte leise:
»Und Sie, Julia? Wie geht es Ihnen?«
»Ganz gut …«, antwortete Julia schnell. Das entsprach zwar
nicht ganz der Wahrheit, aber dann erkannte sie, dass der
Polizist wirklich interessiert war, und fragte: »Sie meinen …
nach gestern?«
»Ja«, sagte Lennart, »das meinte ich auch. Aber vor allem
nach dem, was vor vielen Jahren geschehen ist … in den Siebzigern.«
»Oh«, sagte Julia.
Lennart wusste also Bescheid. Natürlich, was hatte
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