Öland
Staatliche Kriminaltechnische Labor.
Die untersuchen solche Gegenstände.«
Gerlof sagte nichts.
»Gut, dann lassen Sie die Sandale untersuchen«, meinte
Julia.
»Bekomme ich eine Quittung?«, fragte Gerlof.
Julia sah ihn irritiert an, als würde sie sich für ihn schämen, aber Lennart nickte nur müde und lächelte.
»Natürlich, Gerlof«, entgegnete er ihm. »Ich schreibe dir
eine Quittung, dann kannst du die Polizei von Borgholm verklagen, wenn das Labor in Linköping die Sandale verschlampt.
Aber ich würde mir an deiner Stelle keine Sorgen machen.«
Als der Polizist wenige Minuten später ging, verließ Julia mit
ihm das Zimmer, kam aber nach einer Weile zu Gerlof zurück, der noch am Schreibtisch saß, die nachlässig hingekritzelte Quittung in der Hand, und mürrisch aus dem Fenster
starrte.
»Lennart sagt, dass wir keinem von der Sandale erzählen
sollen«, berichtete Julia und blieb hinter ihm stehen.
»So, so, sagt er das?«
Gerlof starrte weiter aus dem Fenster.
»Was hast du denn?«, fragte Julia.
»Du hättest ihm nicht von der Sandale erzählen sollen«,
sagte Gerlof.
»Du hast doch selbst gesagt, dass ich es herumerzählen
soll.«
»Aber nicht der Polizei«, entgegnete Gerlof. »Wir können
das selbst lösen.«
»Lösen?«, sagte Julia mit erhobener Stimme. »Was denn
lösen? Was meinst du eigentlich? Glaubst du, dass Jens’ Entführer hier auftaucht und darum bittet, sich die Sandale ansehen zu dürfen? Dass er vorbeikommt und erzählt, was er
getan hat?«
Gerlof antwortete nicht, er hatte ihr den Rücken zugekehrt
und starrte aus dem Fenster, was Julia noch wütender machte.
»Was hast du eigentlich an dem Tag gemacht?«, fuhr sie
fort.
»Das weißt du«, erwiderte Gerlof leise.
»Ich weiß es ganz genau«, sagte Julia. »Mama war müde,
und jemand hätte auf dein Enkelkind aufpassen müssen,
aber du bist zum Bootshaus gegangen, um Netze zu flicken.
Weil du unbedingt fischen wolltest.«
Gerlof nickte.
»Dann kam der Nebel«, sagte er.
»Ja, aber bist du da nach Hause gegangen?«
Gerlof schüttelte den Kopf.
»Du hast mit den Netzen weitergemacht«, sagte Julia, »weil
es viel mehr Spaß gemacht hat, allein am Wasser zu sein, als
auf Kleinkinder aufzupassen. Oder?«
»Ich habe jedes Geräusch gehört, als ich da unten war«,
sagte Gerlof, ohne sie anzusehen. »Es war nichts zu hören. Ich
hätte Jens gehört, wenn er …«
»Aber darum geht es doch gar nicht!«, unterbrach ihn Julia
aufgebracht. »Es geht darum, dass du immer weg warst, wenn
du eigentlich zu Hause sein solltest. Dass sich alles immer
nur nach deinen Bedürfnissen gerichtet hat. So war es immer.«
Gerlof erwiderte nichts. Der Himmel schien sich verdunkelt zu haben. Brach etwa schon die Dämmerung herein? Er
hörte seiner Tochter zu, aber ihm wollte einfach keine gute
Antwort einfallen.
»Ich war ein schlechter Vater«, sagte er schließlich. »Ich war
viel weg, musste viel weg sein. Aber wenn ich an diesem Tag
etwas für Jens hätte tun können … Wenn ich diesen ganzen
Tag ändern könnte …«
Er schwieg und kämpfte mit seiner Stimme.
»Ich weiß, Papa«, sagte Julia. »Ich darf gar nichts sagen, ich
war ja nicht einmal auf Öland. Ich bin nach Kalmar gefahren
und habe den Nebel schon unter der Brücke durchziehen gesehen, als ich über den Sund gefahren bin.« Sie seufzte. »Was
glaubst du, wie oft ich es bereut habe, dass ich Jens an diesem
Tag allein gelassen habe? Ich habe ihm nicht einmal Tschüss
gesagt.«
Gerlof atmete tief durch. Er drehte sich um und sah sie an.
»Am Dienstag, dem Tag vor Ernsts Begräbnis, werde ich dich
zu dem Mann mitnehmen, der mir die Sandale geschickt
hat.«
Julia schwieg.
»Wie soll das gehen?«, fragte sie dann.
»Ich weiß, wer es war«, sagte Gerlof.
»Ganz sicher?«
»Fast sicher.«
»Wo wohnt er?«, fragte Julia. »Hier in Marnäs?«
»Nein.«
»In Stenvik?«
Gerlof schüttelte den Kopf.
»In Borgholm«, sagte er. Julia schwieg einen Moment, als
würde sie abwägen, ob das eine Art Trick war.
»Okay«, sagte sie dann. »Wir nehmen meinen Wagen.«
Sie holte ihren Mantel, der auf dem Bett lag.
»Was machst du jetzt?«, fragte Gerlof.
»Weiß nicht … Vielleicht fahre ich nach Stenvik und harke
ein bisschen Laub beim Sommerhaus oder so. Da ich jetzt
Strom und Wasser habe, kann ich mir dort Essen machen.
Aber ich werde wohl weiter im Bootshaus schlafen, ich kann
da
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