Oelspur
besten ehemaligen Polizisten Belgiens, die für ein entsprechendes Honorar den Staatsdienst quittiert haben. Die haben ihre alten Verbindungen spielen lassen und uns zusätzlich noch die Hölle heißgemacht. Ach ja, und einer unserer Ermittler hatte einen tödlichen Verkehrsunfall, der bis heute nicht aufgeklärt ist.«
»Wie konnte es denn passieren, dass Ihre Leute aufgeflogen sind? Klingt nicht gerade professionell.«
Verlaine senior schnaubte ärgerlich.
»Ich bin jetzt seit dreißig Jahren in dieser Branche, und es hat nur dieses eine Mal gegeben, aber mir kommt heute noch die Galle hoch, wenn ich daran denke. Ist Ihnen schon aufgefallen, wie in Brüssel Auto gefahren wird? Zwar gibt es auch bei uns so etwas wie Vorfahrt, nur dass sich eben niemand darum kümmert. Eine alte Lady kam mit einem BMW aus einer Seitenstraße auf die Avenue des Nerviens geschossen und hat unser Observationsfahrzeug zerlegt. Praktisch direkt vor deren Haustür. Jemand mit Verbindung zu IMSS hat dann am Unfallort unser Equipment gesehen. Drei Tage später hatten wir die Anwälte am Hals.«
»Eigentlich bin ich ja gar nicht an der Firma interessiert, sondern nur an einem Mann, der zufällig dort arbeitet.«
Beide Verlaines dachten über diesen Einwand nach, dann schüttelte der Alte langsam den Kopf.
»Tut mir leid, aber Sie müssen sich jemand anderes suchen. Wir gehören zu den Leuten, mit denen die Firma noch eine Rechnung offen hat. Die sind so nachtragend wie Scientology. Wir haben auch noch zwei Seniorpartner, die ein Mitspracherecht haben. Die würden niemals zustimmen. Das existenzielle Risiko für unsere Agentur steht in keinem Verhältnis zum Auftragsvolumen.«
Ich saß völlig konsterniert da und betrachtete die beiden ungläubig. Mit allen möglichen Komplikationen hatte ich gerechnet, hauptsächlich mit juristischen Einwänden, aber die beiden Männer vor mir hatten tatsächlich Angst. Was hatte Helen in dem Brief an mich geschrieben: »Von Anfang an habe ich gewusst, dass ich mich auf dünnem Eis befinde, aber ich hatte keinen Begriff von der unvorstellbaren Macht dieser Leute.« Verlaine und sein Sohn hatten offenbar einen Begriff davon.
Ich war versucht, aufzustehen und zu gehen. Es gab noch mehr Detektivagenturen in Brüssel, und es musste möglich sein, jemanden zu finden, der nicht die Hosen voll hatte. Andererseits gefielen mir die Verlaines. Sie machten einen ehrlichen, zuverlässigen und kompetenten Eindruck, und schließlich hatten sie auch nichts anderes getan, als was jeder Geschäftsmann tut, nämlich Aufwand und Ertrag, Risiko und Gewinn gegeneinander aufzurechnen. Ich beschloss, aufs Ganze zu gehen.
»Sie haben gesagt, das Risiko für Sie stehe in keinem Verhältnis zum Auftragsvolumen. Was halten Sie davon, wenn wir dieses Verhältnis ändern? Der Auftrag besteht aus zwei Teilen. Wenn Sie beide Teile erfolgreich abschließen, gebe ich Ihnen zusätzlich zu Ihren normalen Honorarforderungen eine Erfolgsprämie. Helfen Sie mir, das Schwein aus dem Verkehr zu ziehen, und ich zahle Ihnen eine Million Euro. Bar und steuerfrei.«
Es war interessant, die Reaktionen der beiden zu beobachten. Verlaine junior zuckte zusammen und fing unmittelbar an zu schwitzen. In seinen Augen erschien ein harter und gieriger Glanz, der mir durchaus gefiel. Schließlich hatte ich diese Reaktion hervorrufen wollen. Der Alte zeigte sich völlig unbeeindruckt, außer dass vielleicht seine Stimme ein wenig tiefer und kehliger klang.
»Haben Sie denn eine Million Euro, Dr. Nyström?«
»Wollen Sie sie sehen?«
Er schüttelte den Kopf und stand auf.
»Ich muss zwei Telefonate führen. Warten Sie hier!«
Er verschwand im Nebenzimmer, und während er telefonierte, sah ich Verlaine junior beim Neusortieren seines Nervenkostüms zu.
Dann kam der Alte zurück.
»Wir machen es! Hunderttausend als Anzahlung, vierhunderttausend nach der Identifizierung und den Rest, wenn wir Ihren Mann bis auf den Mageninhalt durchleuchtet haben. Kein schriftlicher Vertrag.«
»Vertrauen gegen Vertrauen?«
»C’est ça!«, sagte Monsieur Verlaine.
Neununddreißig
B
rüssel ist eine ungewöhnliche Stadt. Eine Millionenmetropole, die mitten in Flandern liegt und doch frankophon dominiert ist, wobei man allerdings auch jede Menge Spanisch, Englisch, Polnisch, Japanisch, Kongolesisch und Türkisch zu hören bekommt. Eine Stadt, in der abgrundtief hässliche Hochhausfassaden sich mit fantastisch erhaltener Jugendstilarchitektur abwechseln,
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