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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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aus.
»Sie haben Ihre Visitenkarte zurückgelassen, nicht wahr?
Ich bringe sie Ihnen wieder. Jetzt sollten auch Sie Ihre Seite des
Abkommens einhalten.«
    Nichts regte sich.
    »Ich will ehrlich sein«, sagte sie. »Ich bin nicht
sehr gern hier unten. Genauer gesagt, ich fürchte mich zu Tode.
Ich mag kleine, gemütliche Schiffe, bei denen ich mir die
Innenausstattung selbst aussuchen kann.« Sie ließ den
Strahl der Taschenlampe wandern. Von der Decke hing ein Kugelhaufen,
der den halben Korridor ausfüllte. Sie bückte sich und
strich von unten mit den Fingern darüber. Die schockgefrosteten
schwarzen Blasen fühlten sich überraschend warm und weich
an. »Nein, das ist ganz und gar nicht mein Geschmack. Aber
schließlich ist dies Ihr Reich. Ich möchte Ihnen nur klar
machen, wie viel Überwindung es mich kostet, überhaupt
hierher zu kommen. Und ich hoffe, dass es sich wenigstens
lohnt.«
    Nichts geschah. Aber sie hatte auch nicht damit gerechnet, dass er
schon den ersten Köder annehmen würde.
    Sie versuchte es mit etwas mehr Vertraulichkeit. »John«,
sagte sie. »Wir haben den Eindruck, dass sich in diesem
Sonnensystem etwas tut, und ich nehme an, dass auch Sie
diesbezüglich gewisse Vermutungen haben. Ich werde Ihnen jetzt
erzählen, was wir davon halten – dann können Sie
selbst entscheiden.«
    Der Wind veränderte sich. Er wurde wärmer und weniger
gleichmäßig. Antoinette musste an keuchende Atemzüge
denken.
    »Khouri ist zurückgekehrt«, begann Antoinette.
»Sie fiel vor ein paar Tagen vom Himmel. Sie erinnern sich doch
an Khouri, nicht wahr? Sie war lange Zeit hier an Bord, ich kann mir
nicht vorstellen, dass Sie sie vergessen haben. Khouri sagt
jedenfalls, um Ararat tobt ein Kampf, neben dem der Krieg zwischen
Demarchisten und Synthetikern sich wie eine Schneeballschlacht
ausnimmt. Wenn das stimmt, befehden sich da oben zwei verfeinde
Menschenparteien und eine beängstigende Zahl von Wolfsmaschinen.
Sie erinnern sich doch an die Wölfe, Captain? Sie wissen, dass
Ilia sie mit den Weltraumgeschützen angegriffen hat, und Sie
haben auch erlebt, was sie damit ausrichtete.«
    Jetzt spürte sie es wieder. Der Wind hatte eine schwache
Sogwirkung entwickelt.
    Für Antoinette war schon das eine Manifestation Klasse eins.
»Sie sind hier, nicht wahr?«
    Wieder veränderte sich der Wind. Jetzt blies er von neuem in
ihre Richtung und heulte wie ein Sturm. Er zauste ihr das Haar und
wehte es ihr in die Augen.
    Und er flüsterte ein Wort: Ilia.
    »Ja, Captain. Ilia. Sie kannten sie gut, nicht wahr? Sie
erinnern sich an den Triumvir. Ich auch. Ich kannte sie nicht lange,
aber lange genug, um zu erkennen, dass sie eine Frau ist, die man
nicht so schnell vergisst.«
    Der Sturm hatte sich gelegt. Geblieben war nur dieser
quälende Sog.
    Eine innere Stimme mahnte Antoinette, es gut sein zu lassen. Sie
hatte eine eindeutige Reaktion bekommen: auf jeden Fall eine
Manifestation der Klasse eins und (wenn sie sich die Stimme nicht
eingebildet hatte) mit hoher Wahrscheinlichkeit der Klasse zwei. Das
sollte fürs Erste genügen. Der Captain war bekannt für
seine Eigenwilligkeit, Ilia Volyova hatte Aufzeichnungen
hinterlassen, aus denen hervorging, dass er oft in eine katatone
Starre gefallen war, wenn sie versucht hatte, ihm noch weitere
Reaktionen zu entlocken. Und mehr als einmal hatte es Wochen
gedauert, bis er seinen Schmollwinkel wieder verließ.
    Aber der Triumvir hatte Monate oder gar Jahre zur Verfügung
gehabt, um eine tragfähige Beziehung zum Captain ihres Schiffes
aufzubauen. Antoinette stand sicherlich sehr viel mehr unter
Zeitdruck.
    »Captain«, sagte sie. »Ich will mit offenen Karten
spielen. Der Ältestenrat macht sich Sorgen. Scorpio ist so
beunruhigt, dass er Clavain von seiner Insel zurückgeholt hat.
Sie nehmen Khouris Angaben ernst. Sie sind unterwegs, um zu
versuchen, ob sie ihr Baby zurückholen können. Wenn sie
Recht hat, schwimmt ein Synthetikerschiff, das von den Wölfen
beschädigt wurde, bereits in unserem Ozean. Sie sind hier,
Captain. Die Krise ist da. Wir können nun die Hände in den
Schoß legen und den Ereignissen ihren Lauf lassen, oder uns
überlegen, ob wir handeln wollen. Und was ich damit meine, ist
Ihnen sicherlich klar.«
    Der Sog hörte so plötzlich auf, als hätte sich
irgendwo eine Tür oder ein Ventil geschlossen. Kein Wind, kein
Geräusch war mehr zu hören. Antoinette stand mit dem
kleinen Lichtfleck aus ihrer Taschenlampe allein im Korridor.
    »Heilige Scheiße«, sagte

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