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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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weg.«
    »Zugegeben, aber sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn sich
etwas tut. Ich kann Auras Emissionen mit meinen Implantaten
vielleicht gar nicht oder nur aus nächster Nähe empfangen.
Außerdem sind Sie ihre Mutter. Sie werden sie vor allen anderen
erkennen, auch wenn die Protokolle ganz unauffällig sein
sollten.«
    »Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern, dass ich ihre
Mutter bin«, sagte Khouri.
    »Natürlich nicht. Ich meinte nur…«
    »Ich suche nach ihr, Clavain. Ich tue nichts anderes, seit
Sie mich aus dieser Kapsel gezogen haben. Und wenn ich sie höre,
werden Sie es als Erster erfahren.«
    Eine halbe Stunde später waren sie dem Objekt so nahe
gekommen, dass Einzelheiten zu erkennen waren. Auch ohne den Saum,
der sich weiter im Wasser ausbreitete, sah jetzt jeder, dass es sich
nicht um einen gewöhnlichen Eisberg handelte. Es wurde sogar
zunehmend unwahrscheinlicher, dass das Ding überhaupt ein
Eisberg war.
    Obwohl es aus Eis bestand.
    Die Wände des schwimmenden Gebildes setzten sich aus bizarren
Kristallen zusammen, weder Facetten noch Platten, sondern kreuz und
quer verlaufende weiße Stäbe. Ein wild wucherndes
Eiszapfengestrüpp, das zusehends dichter wurde. Aus dickeren
Stalagmiten und Stalaktiten, die wie Reißzähne nach oben
und unten ragten, wuchsen messerscharfe Spieße. An den
Ansatzpunkten breiteten sich kleinere Wucherungen nach allen Seiten
aus und verschlangen sich zu einem verwirrenden Netzwerk. Die
Eiszapfen waren von unterschiedlicher Größe. Es gab
Stämme und Äste vom Durchmesser eines Bootes. Andere waren
so dünn und fein wie ein schillernder Schleier und drohten beim
leisesten Windhauch zu unzähligen Splitterchen zu zerfallen. Von
ferne hatte der Berg wie ein massiver Block ausgesehen. Jetzt
erschien er wie ein Haufen aus unzähligen, wahllos durcheinander
geworfenen Glasnadeln, ein glitzerndes Dickicht, das zu gleichen
Teilen aus Hohlräumen wie aus Eis bestand.
    Vasko war von dem Anblick tief erschüttert.
    Sie gingen noch näher heran.
    Clavain war der Einzige, den das fremdartige Gebilde unbeeindruckt
ließ. »Die Karten hatten Recht«, sagte er. »Die
Größe stimmt… ich schätze, in dem Berg
könnte sich leicht eine Korvette der Moray-Klasse
verbergen.«
    Vasko meldete sich zu Wort. »Sie glauben immer noch, dass
unter dem Eis ein Schiff stecken könnte, Sir?«
    »Ich will Ihnen eine ganz einfache Frage stellen, mein Sohn.
Glauben Sie wirklich, hier hätte Mutter Natur die Hand im
Spiel?«
    »Aber wozu sollte Skade ihr Schiff mit dieser seltsamem
Eisschicht umgeben?«, beharrte Vasko. »Als Panzerung ist
sie kaum geeignet, und bisher hat sie lediglich bewirkt, dass das
Schiff auf den Karten deutlicher zu erkennen ist.«
    »Was macht Sie so sicher, dass es Skades Entscheidung war,
mein Sohn?«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen, Sir.«
    Scorpio schaltete sich ein. »Er meint aus alledem
schließen zu können, dass mit Skades Schiff irgendetwas
nicht stimmt. Ist das richtig?«
    »Das ist meine Arbeitshypothese«, erklärte Clavain
und nickte.
    »Aber was…?« Vasko verstummte, bevor er sich noch
weiter verrannte.
    »Was immer unter der Hülle steckt«, sagte Clavain,
»wir müssen es erreichen. Wir haben kein
Tunnelbohrgerät und auch nichts, womit wir dickes Eis sprengen
könnten. Aber wenn wir vorsichtig sind, wird das gar nicht
nötig sein. Wir müssen nur einen Weg finden, der ins
Zentrum führt.«
    »Und wenn Skade uns vorher entdeckt, Sir?«, fragte
Vasko.
    »Das hoffe ich sogar. Ich möchte auf keinen Fall an ihre
Haustür klopfen müssen. Jetzt bringen Sie uns näher
heran. Aber schön langsam.«
     
    Die Helle Sonne ging auf. In den ersten Minuten nach Tagesanbruch
veränderte der Eisberg vollkommen seinen Charakter. Nun stand
vor dem zartvioletten Himmel ein Zauberschloss, wie aus Zucker
gesponnen. Das Licht brach sich wie in tausend lupenreinen Diamanten,
und die Spieße und Stangen sprühten goldene und azurblaue
Blitze. Prachtvolle Lichtkränze entstanden, Splitter und
Scherben erstrahlten in Farben von einer Reinheit, wie Vasko sie noch
nie gesehen hatte. Das Innere war nicht dunkel, sondern
verströmte einen schwach türkisgrünen Schein, der
durch das Eislabyrinth nach außen sickerte. Und dieser
leuchtende Kern enthielt, nur undeutlich zu erkennen, einen schwarzen
Punkt.
    Die beiden Boote waren bis auf fünfzig Meter an den
äußeren Rand des Inselsaums herangekommen. Das Wasser war
fast die ganze Fahrt über ruhig gewesen, aber hier in
unmittelbarer

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