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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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billigen Lautsprecher, der
an die Rückseite des Ehernen Panzers geschweißt war, wo
ihn gewöhnliche Besucher nicht sehen konnten. »Wir
hören alles, Quaiche, und wir reden, wenn es uns
beliebt.«
    Eigentlich dürfte das nicht möglich sein. Der
Lautsprecher sollte nur funktionieren, wenn Quaiche ihn einschaltete.
»Wie habt ihr das gemacht?«
    Die Stimme klang, als käme sie aus einem primitiven
Holzblasinstrument. Sie schien ihn verspotten zu wollen. »Das
ist erst der Anfang, Quaiche. Du kannst uns in keinen Käfig
sperren, aus dem wir nicht wieder herauskommen.«
    »Dann sollte ich euch besser jetzt vernichten.«
    »Das schaffst du nicht. Und du solltest es auch nicht
tun.
    Wir sind nicht dein Feind, Quaiche. Das müsstest du doch
inzwischen erkannt haben. Wir wollen dir helfen. Und dazu brauchen
wir unsererseits ein wenig Hilfe.«
    »Ihr seid Dämonen. Mit Dämonen will ich nichts zu
tun haben.«
    »Keine Dämonen, Quaiche. Nur Schatten, genau wie du
für uns.«
    Sie hatten dieses Gespräch schon oft geführt. Sehr oft.
»Ich kann mir verschiedene Verfahren vorstellen, um euch zu
töten«, sagte er.
    »Warum versuchst du es dann nicht?«
    Wie immer schossen ihm gleich mehrere Antworten durch den Kopf:
Weil sie ihm nützlich sein konnten. Weil er noch fähig war,
sie zu kontrollieren. Weil er Angst hatte, was passieren würde,
ob er sie nun tötete oder am Leben ließ. Weil er wusste,
dass da, wo sie herkamen, noch mehr von ihrer Sorte warteten.
    Viele mehr.
    »Ihr wisst warum«, sagte er und schämte sich, weil
es so jämmerlich klang.
    »Die Auslöschungen häufen sich«, sagte der
Eherne Panzer. »Du weißt doch, was das bedeutet?«
    »Es bedeutet, dass wir am Ende der Zeiten leben«, sagte
Quaiche. »Nicht mehr als das.«
    »Es bedeutet, dass die Tarnung versagt. Bald wird die
Maschinerie für alle zu sehen sein.«
    »Es gibt keine Maschinerie.«
    »Du hast sie gesehen. Und wenn die Auslöschungen ihren
Höhepunkt erreichen, wird sie auch für andere sichtbar
sein. Früher oder später wird jemand kommen, der bereit
ist, Beziehungen zu uns aufzunehmen. Warum so lange warten, Quaiche?
Warum verhandelst du nicht jetzt mit uns? Bessere Bedingungen wirst
du nie mehr bekommen.«
    »Ich verhandle nicht mit Dämonen.«
    »Wir sind nur Schatten«, wiederholte der Anzug.
»Nur Schatten, deren Flüstern zu dir dringt. Hilf du uns,
den Abgrund zu überqueren, damit auch wir dir helfen
können.«
    »Das werde ich nicht tun. Niemals.«
    »Die Krise ist nicht mehr fern, Quaiche. Alles weist darauf
hin, dass sie bereits begonnen hat. Du hast die Flüchtlinge
gesehen. Du kennst ihre Geschichten von den Maschinen, die aus der
Dunkelheit und aus der Kälte kommen. Vernichtungsmaschinen. Wir
haben es in diesem System schon einmal erlebt. Ohne unsere Hilfe
kannst du sie nicht schlagen.«
    »Gott wird mir helfen«, sagte Quaiche. Seine Augen
tränten. Haldoras Bild verschwamm.
    »Es gibt keinen Gott«, sagte der Anzug. »Es gibt
nur uns, und unsere Geduld ist nicht grenzenlos.«
    Doch dann verstummte er. Er hatte gesagt, was er sagen wollte.
Quaiche blieb mit seinen Tränen allein.
    »Gottesfeuer«, flüsterte er.

 
Ararat

2675
     
     
    Als Vasko ins Herz des Eisbergs zurückkehrte, war die Musik
verstummt. Den leichten, aber sperrigen Inkubator in einer Hand
folgte er dem bereits geräumten Weg durch das Eiszapfendickicht.
Das Eis klirrte und knirschte, wenn er mit dem Kasten gegen
Hindernisse stieß. Scorpio hatte ihm eingeschärft, nicht
wie ein Wilder durch das zerstörte Schiff zu hetzen, aber er
wusste, dass ihm das Schwein nur unnötiges Leid hatte ersparen
wollen. Also hatte er die Meldung an Blood abgesetzt und Urton
erklärt, was vorging, um dann so schnell wie möglich mit
dem Brutkasten den Rückweg anzutreten.
    Doch als er sich dem Riss in der Schiffswand näherte, wusste
er, dass alles vorbei war. Jemand hatte ein meterbreites Loch durch
die Eisdecke gesprengt, und an dieser Stelle erhob sich eine
Säule aus Licht. In ihrer Mitte stand Scorpio. Das Licht fiel
von oben auf seine Züge und ließ sie scharf hervortreten.
Der massige Kopf versank im breiten Joch seiner Schultern. Die Augen
waren geschlossen, die Stirn mit den feinen Härchen erschien
bläulich grau. Er hielt einen Gegenstand in der Hand, von dem es
rot auf das Eis tropfte.
    »Sir?«, fragte Vasko.
    »Es ist vollbracht«, sagte Scorpio.
    »Es tut mir Leid, dass Sie das tun mussten, Sir.«
    Die fahlen, blutunterlaufenen Augen hefteten sich auf

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