Offenbarung
war. Das
ist doch schon etwas.«
»Du bist sehr gnädig, Antoinette.«
»Es ist kein Wunder, wenn Ihr Gedächtnis Ihnen
gelegentlich einen Streich spielt, John. Mir genügt es, dass Sie
meinen Namen noch wissen. Wissen Sie auch noch, worüber wir
gesprochen haben?«
»Gib mir ein Stichwort.«
»Die Besucher, John? Die fremden Präsenzen im
System?«
»Sie sind immer noch da«, sagte er. Er widmete sich
wieder den Funktionen seines Chestpack, schien aber nicht weiter
besorgt. Sie beobachtete, wie er auf die Tasten eines schmalen
Armbands drückte, das er um das Handgelenk trug, und dann
zufrieden nickte, als registrierte er eine leichte Veränderung
in den Parametereinstellungen seines Anzugs.
»Ja«, sagte sie.
»Sie sind auch näher gekommen. Oder nicht?«
»Wir nehmen es an. Khouri hatte es prophezeit, und bisher ist
alles eingetroffen, was sie sagte.«
»Ich würde an eurer Stelle auf sie hören.«
»Es geht nicht mehr um Khouri allein. Wir haben ihre Tochter,
und die weiß noch viel mehr. Jedenfalls haben wir diesen
Eindruck gewonnen. Vielleicht sollten wir anfangen, auf ihre
Anweisungen zu hören.«
»Clavain wird euch führen. Er hat, genau wie ich, ein
Gespür für die Weiten der Geschichte. Wir sind Phantome aus
der Vergangenheit, in eine Zukunft geworfen, die keiner von uns je zu
erleben glaubte.«
Antoinette biss sich auf die Unterlippe. »Ich habe leider
eine schlimme Nachricht. Clavain lebt nicht mehr. Er wurde
getötet, als er Khouris Tochter retten wollte. Wir haben
Scorpio, aber…«
Der Captain schwieg lange. Sie fragte sich schon, ob ihn die
Nachricht von Clavains Tod tiefer getroffen hatte als erwartet. Sie
hatte nicht geahnt, dass Clavain und der Captain irgendwie verbunden
wären, aber den letzten Worten der Erscheinung entnahm sie, dass
die beiden miteinander mehr gemeinsam gehabt hatten als mit den
meisten ihrer jetzigen Zeitgenossen.
»Du bist von Scorpios Führungsqualitäten nicht
unbedingt überzeugt?«, fragte er.
»Scorpio hat uns gute Dienste geleistet. In einer Krise
könnte man sich keinen besseren Führer wünschen. Aber
er kann nicht strategisch denken, und das gibt er auch selbst
zu.«
»Dann sucht euch einen anderen.«
Und nun geschah etwas, das sie überraschte. Sie fühlte
sich in die Sitzung in der Hohen Muschel zurückversetzt. Sie sah
Blood hereinstolzieren, und sie sah Vasko Malinin mit Verspätung
eintreffen. Sie sah, wie Blood ihn deshalb tadelte und wie Vasko
diesen Tadel einfach abschüttelte. Jetzt im Rückblick wurde
ihr klar, dass sie diese Sorglosigkeit als notwendige Ergänzung
der jetzigen und künftigen Persönlichkeit des jungen Mannes
akzeptiert hatte. Irgendwo hatte sie ihn dafür sogar
bewundert.
Unter der Oberfläche hatte sie kurz den blanken Stahl
aufblitzen sehen.
»Ich wollte nicht über einen Führer sprechen«,
sagte Antoinette hastig. »Sondern über Sie, John. Wollen
Sie Ararat verlassen?«
»Du hast mir doch empfohlen, darüber
nachzudenken.«
Sie erinnerte sich an den Anstieg der Neutrinowerte. »Tun Sie
nicht etwas mehr als das?«
»Mag sein.«
»Wir müssen vorsichtig sein«, sagte sie. »Es
könnte sein, dass wir sehr schnell ins All fliegen müssen,
aber wir müssen auch bedenken, was das für die Menschen in
unserer Umgebung bedeutet. Selbst wenn alles reibungslos läuft,
wird es Tage dauern, um sie alle an Bord zu bringen.«
»Mehrere tausend sind bereits hier. Und ihr Überleben zu
sichern, betrachte ich als meine oberste Pflicht. Um die anderen tut
es mir Leid, aber wenn sie nicht rechtzeitig eintreffen, müssen
sie eben zurückbleiben. Hältst du das für
gefühllos?«
»Das habe nicht ich zu beurteilen. Hören Sie, einige
Menschen wollen ohnehin freiwillig hier bleiben. Wir werden sie
vielleicht sogar dazu ermutigen, für den Fall, dass es sich als
Fehler herausstellt, Ararat aufzugeben. Aber wenn Sie jetzt starten,
töten Sie alle, die noch nicht an Bord sind.«
»Habt ihr daran gedacht, sie schneller
herzubringen?«
»Wir tun, was wir können, und wir machen auch bereits
Pläne, um eine begrenzte Anzahl aus dem Umkreis der Bucht zu
evakuieren. Aber morgen um diese Zeit werden immer noch mindestens
hunderttausend Menschen übrig sein.«
Der Captain verschwand für einen Moment im Staubsturm.
Antoinette starrte die raue, körnige Wand an. Sie glaubte schon,
er hätte sich zurückgezogen, und wandte sich zum Gehen,
doch da tauchte er wieder auf. Er ging gebückt, als kämpfe
er gegen einen unsichtbaren Wind an.
Er
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