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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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sie
endlich, warum Pietr gewollt hatte, dass sie während der
Überquerung auf das Dach kam.
    »Sie behaupteten als Erste, dass sich die Auslöschungen
häuften, doch das war statistisch schwer zu beweisen. Es gab
bereits Einzelberichte, wonach die Fälle immer wieder geballt
aufträten, aber jetzt, so behaupteten die Numeriker, würden
die Zeiträume dazwischen immer kürzer. Weiterhin
behaupteten sie, die Dauer der einzelnen Auslöschungen sei
länger geworden, wobei sie einräumten, dass die
Anhaltspunkte dafür statistisch weit weniger
›signifikant‹ seien.«
    »Aber sie hatten Recht?«
    Pietr nickte. Die gespiegelte Landschaft in seinem Helmvisier
kippte nach vorn. »Zumindest mit der ersten Behauptung. Heute
kommen selbst grobe statistische Verfahren zum gleichen Ergebnis. Die
Auslöschungen werden eindeutig häufiger.«
    »Und die zweite Behauptung?«
    »Ist nicht bewiesen. Aber sie war auch mit all den neuen
Daten nicht zu widerlegen.«
    Wieder wagte Rachmika einen Blick auf den Fleck in der Tiefe.
»Aber was ist dann passiert? Wieso sind sie da unten
gelandet?«
    »Das weiß niemand so genau. Wie gesagt, die Kirchen
wollen nicht einmal zugeben, dass jemals eine Kathedrale den
Übergang versucht hat. Wenn du etwas tiefer bohrst, wird man dir
widerwillig zugestehen, dass die Numeriker einmal existierten –
es gibt zum Beispiel Dokumente über die wenigen
Handelsbeziehungen –, aber du wirst nirgendwo ein Wort
darüber finden, dass sie jemals die Absolutionsschlucht
überquert hätten.«
    »Aber es ist doch die Wahrheit.«
    »Versucht haben sie es. Warum, wird wohl niemand je erfahren.
Vielleicht war es ein letzter Versuch, sich vor den Kirchen zu
profilieren, die sie ausgeschlossen hatten. Vielleicht hatten sie
eine Abkürzung ausgearbeitet, auf der sie die Hauptgruppe
überholen konnten, ohne Haldora jemals aus dem Blick zu
verlieren. Eigentlich spielt es keine Rolle. Sie hatten einen Grund,
sie versuchten den Übergang, und sie sind gescheitert. Warum sie scheiterten, ist eine andere Frage.«
    »Die Brücke ist jedenfalls nicht eingestürzt«,
sagte Rachmika.
    »Nein – sieht nicht danach aus. Die Kathedrale war,
verglichen mit den Hauptkathedralen, eher klein. Die Absturzstelle
zeigt, dass sie schon ziemlich weit gekommen waren, bevor sie
abrutschten, die Brücke kann also auch nicht eingeknickt sein.
Vermutlich war es einfach eine schwierige Gratwanderung. Die
Kathedrale ragte auf beiden Seiten über die Fahrbahn hinaus, und
irgendwo auf halbem Wege verloren sie für einen Moment die
Kontrolle über die Steuerung. Und das war’s. Wer
weiß?«
    »Aber du hast noch einen anderen Verdacht.«
    »Sie hatten sich mit ihren statistischen Untersuchungen nicht
gerade beliebt gemacht. Ich sagte schon einmal, die anderen Kirchen
wollen nicht wahrhaben, dass die Auslöschungen sich häufen,
weißt du nicht mehr?«
    »Weil sie nicht wollen, dass sich die Welt
verändert?«
    »So ist es. Sie sind sehr zufrieden damit, wie es jetzt ist.
Man umrundet Hela, man beobachtet Haldora und verdient sich seinen
Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Flitzerfunden an den Rest der
Menschheit. Für die Kirchenoberen gibt es keinen Grund zur
Klage, vielen Dank. Sie wollen nicht, dass ihre schöne heile
Welt durch Endzeitprophezeiungen in Unruhe versetzt wird.«
    »Du glaubst also, jemand hätte die Kathedrale der
Numeriker absichtlich zerstört.«
    »Wie gesagt, du wirst es nicht beweisen können.
Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass es ein Unfall
war. Kein Mensch behauptet, dass es ratsam ist, mit einer
Kathedrale über die Absolutionsschlucht zu fahren.«
    »Und trotzdem hast du deinen Glauben nicht verloren,
Pietr?« Sie sah, wie seine Faust sich fester um das
Geländer schloss.
    »Ich halte die Auslöschungen für eine Botschaft in
Krisenzeiten. Sie sind nicht nur ein stummer Ausdruck göttlicher
Macht, wie die Kirchen behaupten – ein Wunder um eines Wunders
willen –, sie bedeuten sehr viel mehr. Ich glaube, sie sind so
etwas wie eine Countdownuhr, und die Stunde null ist viel näher,
als die da oben zugeben wollen. Die Numeriker wussten es. Ob ich die
Kirchen für vertrauenswürdig halte? Im Großen und
Ganzen, mit einer oder zwei Ausnahmen, nein. Ich traue ihnen nicht
weiter, als ich im Vakuum pissen kann. Aber meinen Glauben habe ich
noch. Daran hat sich nichts geändert.«
    Das klang aufrichtig, dachte Rachmika, aber solange sie sein
Gesicht nicht deutlich sehen konnte, war sie nicht ganz sicher.
    »Aber da

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