Offenbarung
Unfall draußen auf
dem Eis. Fest steht für mich jedoch eines: In beiden Fällen
werden Sie vorher sehr vielen Leuten auf die Nerven gehen.«
»Dann hätte ich wenigstens etwas erreicht«, sagte
sie sehr viel forscher, als ihr zumute war, und wandte sich zum
Gehen.
»Miss Els.«
»Quästor?«
»Sollten Sie irgendwann beschließen, ins Ödland
zurückzukehren… könnten Sie mir dann einen
großen Gefallen tun?«
»Nämlich?«
»Suchen Sie sich bitte ein anderes Transportmittel für
den Rückweg«, sagte der Quästor und wandte sich wieder
seiner Arbeit zu.
Einunddreißig
Unweit von Ararat
2675
Scorpio ging durch die Luftschleuse, sobald das Shuttle angedockt
hatte und fest mit dem Empfangsdeck verbunden war. Das zweite –
wesentlich kleinere und schnittigere – Schiff, das sie begleitet
hatte, lag wie ein schwarzer Keil daneben. Er konnte nur seine
Silhouette erkennen, es sah aus wie einer jener splitterförmigen
Tintenkleckse, die man bisweilen bei psychologischen Tests
verwendete. Der Klecks zischte und verbreitete einen scharfen
medizinischen Geruch. Er wirkte ganz und gar zweidimensional, als
hätte man ihn aus einem dünnen schwarzen Blech
herausgestanzt.
So dünn, dass man sich daran schneiden konnte.
Angehörige des Sicherheitsdienstes hatten bereits den Zugang
zu beiden Schiffen abgesperrt. Scorpios Shuttle war ihnen bekannt,
aber das zweite Schiff erregte ihr Misstrauen. Scorpio nahm an, dass
es ebenfalls eine Aufforderung zum Andocken erhalten hatte, aber die
Bewacher wollten kein Risiko eingehen. Er schickte die meisten von
ihnen weg, nur zwei hielt er für den Fall in Bereitschaft, dass
es doch noch zu einer unangenehmen Überraschung käme.
Dann zog er den Ärmel hoch und sprach in seinen Kommunikator.
»Antoinette? Bist du da?«
»Ich bin auf dem Weg nach oben, Scorpio. Vielleicht noch eine
Minute. Hast du unseren Gast mitgebracht?«
»Ich weiß nicht genau«, sagte er.
Er ging auf das schwarze Schiff zu. Es war nicht viel
größer als die Kapsel, mit der Khouri gelandet war. Mehr
als eine oder zwei Personen hatten darin kaum Platz. Er klopfte mit
dem Huf an die schwarze Oberfläche. Sie fühlte sich so kalt
an, dass sich die Haare auf seinem Handrücken
sträubten.
In der Mitte der schwarzen Maschine erschien ein rosarotes L, ein
Stück Rumpf glitt beiseite, ein halbdunkler Innenraum wurde
sichtbar. Ein Mann war dabei, sich aus dem Gefängnis seiner
Beschleunigungsliege und den heruntergeklappten Steuerelementen zu
befreien. Wie Scorpio vermutet hatte, war es Remontoire. Er sah
älter aus, als er ihn in Erinnerung hatte, aber sonst hatte er
sich kaum verändert: sehr dünn, sehr groß, sehr kahl,
in eng anliegender schwarzer Kleidung, durch die er noch mehr wie
eine Spinne aussah. Sein Schädel war ungewöhnlich lang und
hatte die Form einer Träne.
Scorpio beugte sich über die Höhlung und half ihm
heraus.
»Mr. Pink, nehme ich an«, sagte Remontoire.
Scorpio zögerte einen Moment lang. Der Name war ihm nicht
fremd, aber das dazugehörige Ereignis lag Jahrzehnte in der
Vergangenheit. Er wühlte in seinem Gedächtnis, bis er den
richtigen Faden zu fassen bekam. Damals war er zusammen mit
Remontoire inkognito im Rostgürtel und in Chasm City unterwegs
gewesen, um die Spur von Clavain zu verfolgen, der kurz zuvor von den
Synthetikern abgefallen war. Mr. Pink war der Name, den Scorpio
angenommen hatte. Wie hatte Remontoire sich noch genannt? Scorpio
überlegte.
»Mr. Clock«, sagte er endlich, bevor die Pause allzu
peinlich werden konnte.
Damals hatten sie sich gehasst wie die Pest. Wie sollte es auch
anders sein? Remontoire konnte Hyperschweine nicht ausstehen (er
hatte nie vergessen, dass er irgendwann einmal von einem Schwein
gefoltert worden war), war aber auf Scorpio angewiesen, weil der sich
in und um Chasm City so gut auskannte wie kein anderer.
Scorpio mochte ganz allgemein keine Synthetiker (niemand mochte
Synthetiker, wenn er nicht selbst einer war), und Remontoire war ihm
besonders zuwider. Aber man hatte ihn unter Druck gesetzt und ihm
seine Freiheit versprochen, wenn er Remontoire unterstützte.
Andernfalls hätte man ihn den Behörden ausgeliefert, und
die hatten bereits einen hübschen Schauprozess für ihn
geplant, dessen Ausgang von vornherein feststand.
Nein; von Freundschaft konnte damals sicher nicht die Rede sein,
aber Clavain hatte beiden so viel Respekt eingeflößt, dass
sich der Hass mit der Zeit legte. Und nun freute sich Scorpio
aufrichtig
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