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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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konnte.
Mindestens dreißig bis vierzig. Einige hielten sich eng
beieinander wie Galeeren, die sich im Nahkampf mit ihren Kanonen
beschossen. Bei diesen Gruppen fiel es schwer, die zahllosen
Türmchen und Spitzen den einzelnen Gebäuden zuzuordnen.
Manche hatten nur einen einzigen Turm; andere glichen ganzen
Stadtpfarreien, die man zusammengehängt und auf die Reise
geschickt hatte. Rachmika sah geknickte Türme und prunkvolle
Minarette, Türme mit Spitzen, mit Zinnen und mit Strebepfeilern.
Hunderte von Metern hohe Buntglasfenster und Rosetten so groß,
dass ein Schiff durchfliegen konnte.
    Riesige, mit Edelmetallen und ausgefallenen Metalllegierungen
verkleidete Flächen blinkten im Licht. Einige Kathedralen waren
von unten bis zur Mitte von einer Art Entenmuscheln überwuchert,
deren Größe sie zunächst ganz falsch
einschätzte. Erst als sie nahe genug waren, konnte sie erkennen,
dass es sich dabei um eigene, kreuz und quer übereinander
gestapelte Gebäude handelte.
    Wieder musste sie an Brueghel denken.
    Die Karawane setzte ihren Weg fort, und allmählich kam immer
mehr von den Kathedralen in Sicht. Weit hinten schoben sich weitere
Kolosse über den Horizont, aber Rachmika wusste, dass dies die
Hauptgruppe war: die Vorhut der Prozession.
    Haldora stand genau im Zenith, am Scheitelpunkt der
Himmelskuppel.
    Sie war fast am Ziel.

 
Unweit von Ararat

2675
     
     
    Scorpio saß am Holztisch auf der Lichtung und sah sich um.
Er wollte sich nichts entgehen lassen, aber auch nicht den Eindruck
erwecken, völlig überwältigt zu sein. Dabei hatte er
so etwas wirklich noch nie erlebt. Der Himmel war von einem tiefen,
satten Blau, wie er es auf Ararat nie gesehen hatte. Die Bäume
waren unglaublich filigran und bis in die kleinsten Einzelheiten
ausgeführt. Sie lebten und atmeten. Er hatte Bäume bisher
nur auf Bildern gesehen, aber die hatten ihm diese Schwindel
erregende Komplexität nicht vermitteln können. Als er zum
ersten Mal am Meer gestanden hatte, war es ihm ähnlich ergangen:
Die Kluft zwischen Erwartung und Wirklichkeit war so gewaltig, dass
einem ganz flau wurde. Man konnte nicht einfach von einer bekannten
Erscheinung wie etwa einem Glas Wasser hochrechnen. Es gab einen
inneren Kern des ›Meer-Seins‹, auf den er einfach nicht
gefasst gewesen war.
    Eigentlich fand er die Bäume erschreckend. Sie waren so
riesig, so lebendig. Wenn sie ihn nun nicht leiden konnten?
    »Scorp«, sagte Antoinette. »Würdest du bitte
die Brille aufsetzen?«
    Er sah sie stirnrunzelnd an. »Gibt es dafür einen
bestimmten Grund?«
    »Du willst doch mit John sprechen. Wer keine Maschinen im
Kopf hat, kann ihn meistens nicht sehen. Keine Sorge, du bist nicht
der Einzige, der damit albern aussieht.«
    Er rückte sich die Brille zurecht. Sie war für Menschen
und nicht für Schweine entworfen, aber als er sie auf seine
Gesichtsform eingestellt hatte, war sie nicht unbequem. Er schaute
hindurch, aber zunächst geschah gar nichts.
    »John wird gleich hier sein«, versicherte ihm
Antoinette.
    Das Treffen war sehr kurzfristig einberufen worden. Außer
ihm und Antoinette saßen Vasko Malinin, Ana Khouri und ihre
Tochter – sie lag in einem tragbaren Inkubator, den Khouri auf
dem Schoß hatte –, Dr. Valensin und drei einfache
Vertreter der Kolonie mit am Tisch. Die drei Letzteren waren nur die
Ranghöchsten unter den etwa vierzehntausend Bürgern, die
sich bereits an Bord der Sehnsucht nach Unendlichkeit befanden. Die übrigen Mitglieder des Ältestenrats
– Orca Cruz, Blood, Xavier Liu etc. – befanden sich noch
auf Ararat. Remontoire nahm gegenüber von Scorpio Platz, sodass
noch ein Sitz frei blieb.
    »Wir sollten uns kurz fassen«, sagte Remontoire.
»Ich muss in knapp einer Stunde wieder los.«
    »Du kannst nicht zum Essen bleiben?«, fragte Scorpio,
bevor ihm einfiel, dass Humor für Remontoire ein Fremdwort
war.
    Der Synthetiker schüttelte seinen fein geäderten
Eierkopf. »Leider nein. Die Zodiakallicht und die anderen
Streitkräfte der Synthetiker bleiben mindestens noch so lange im
System, bis ihr im interstellaren Raum seid. Wir halten euch die
Unterdrücker vom Leib. Einige Elemente werden euch vielleicht
verfolgen, aber es wird nicht die Hauptstreitmacht sein.« Er
legte die dünnen Finger dachförmig aneinander. »Ihr
solltet sie in Schach halten können.«
    »Hört sich ganz nach einem Himmelfahrtskommando
an«, sagte Antoinette.
    »Das ist es nicht. Ich bin pessimistisch, aber nicht ohne
jede Hoffnung. Es gibt

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